Schweizer Handelsdeal mit China klammert Menschenrechte aus

Schweizer Handelsdeal mit China klammert Menschenrechte aus

DW, 06.05.2021

Unten ein Artikel von DW, Foto Getty Images

Bundeskanzlerin Merkel wertete es als großen Erfolg, als am Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft Ende Dezmeber 2020 die Verhandlungen zu einem Investitionsschutzabkommen mit China erfolgreich beendet wurden. Inzwischen wachsen aber Zweifel an Merkels China-Kurs. Weder die EU-Kommission noch das EU-Parlament befürworten derzeit engere Beziehungen mit Peking.

Die Ratifizierung des Investitionsschutzabkommens liegt auf Eis. Der Grund: Chinas massive Menschenrechtsverletzungen. Die Regierung in Peking leugnet dies nicht nur. Sie verfolgt westliche Politiker, Journalisten oder Menschenrechtler, die die Unterdrückung der uigurischen oder tibetischen Minderheit anprangern; das Fehlen jeglicher Pressefreiheit in China beim Namen nennen. 

Für die Regierung in Bern sind Chinas Menschenrechtsverletzungen kein Hindernis, die Wirtschaftsbeziehungen weiter auszubauen. Sie schloss bereits 2009 ein Investitionsschutzabkommen mit China ab. 2013 wurde ein Freihandelsabkommen unterzeichnet (siehe Artikelbild). Die Schweiz habe damit gute Erfahrungen gemacht, sagt Jan Alteslander von Economiesuisse, einem einflussreichen Dachverband der Schweizer Wirtschaft. Der bilaterale Handel sei mehr oder weniger ausgeglichen und habe sich in den letzten Jahren belebt, sagte Jan Alteslander der DW. 

Wachsender Warenaustausch
2019 hat die Schweiz Waren im Wert von 13,4 Milliarden Franken nach China exportiert und Waren im Wert von 14,9 Milliarden Franken importiert – Tendenz steigend. Der Investitionen der Schweiz hat sich in der Zeit von 2000 bis 2020 verachtfacht. Für Bern ist Peking wichtiger als umgekehrt, wenn man sich die chinesischen Investitionen in der Schweiz ansieht. Schweizer Banken erwarben in den letzten Jahren Mehrheitsanteile an chinesischen Unternehmens-Töchtern. China übernahm für viele Milliarden den Schweizer Agrarkonzern Syngenta.

Wer hinter solchen Aktivitäten nicht nur Wirtschaftsinteressen sieht, sondern auch den Verdacht der Ausspionierung vermutet, zieht sich schnell den Zorn Pekings zu. Chinas Botschafter in Bern, Wang Shihting, wies in einer einstündigen, virtuellen Medienkonferenz alle Vorwürfe zurück, pries die Beziehungen zur Schweiz, nannte die Existenz von „so genannten Konzentrationslagern“, in denen Uiguren zu Zwangsarbeit gezwungen werden, eine boshafte politische Spekulation. Eine Anfrage der DW zu den schweizerisch-chinesischen Beziehungen ließ er unbeantwortet. 

Kritische Analyse ohne Konsequenzen

Vor dem pressewirksamen Auftritt des chinesischen Botschafters hat der Schweizer Bundesrat (also die Regierung) eine so genannte China-Strategie beschlossen. Hier wird das Reich der Mitte ein „Einparteienstaat“ genannt, in dem autoritäre Tendenzen zugenommen hätten und Andersdenkende verfolgt werden. Bern beklagt, dass China seine Cyberfähigkeiten einsetzt, um strategische Interessen in Wirtschaft oder Wissenschaft durchzusetzen. Das Freihandelsabkommen selbst wird in dem Strategiepapier jedoch nicht infrage gestellt.

Das gilt auch für Ständerat Damian Müller von den Liberalen, der den „Progress“ in den Beziehungen mit China lobt. Allerdings sagte er gegenüber der DW auch, dass das Freihandelsabkommen weiterentwickelt werden müsste. „Insbesondere auch die Menschenrechtsituation muss jetzt auch mehr in den Fokus, wenn man über die gesamten Beziehungen mit China spricht.“ Ins gleiche Horn bläst Nationalrat Fabian Molina von den Sozialdemokraten. Er beklagt gegenüber dem deutschen Auslandsender, dass China zunehmend autoritär auftrete und seine Interessen in der Wirtschaftspolitik stärker durchsetze.

Die Schweiz habe bislang oft versucht, zwei Dinge voneinander zu trennen: die wirtschaftlichen Interessen und Menschenrechte. Das sagte Prof. Ralph Weber vom Institut for European Global Studies an der Universität Basel der DW. Diejenigen, die sich mit Handel beschäftigten, hätten nichts zu tun mit Menschenrechten und – umgekehrt – diejenigen, die sich um die Wahrung der Menschenrechte kümmern, seien in einer „Wertesphäre“ verhaftet und hätten nichts zu tun mit der Wirtschaft. Die Schweiz müsse, so fordert Weber, die Menschenrechte höherstellen. Dafür gebe es auch wirtschaftliche Gründe. Die Schweiz habe in den letzten 20 Jahren von Menschenrechten geredet, gesetzt habe sie aber auf den Handel.