Fragen an Volkswagen bezüglich der Veröffentlichung der Auditergebnisse

Fragen an Volkswagen bezüglich der Veröffentlichung der Auditergebnisse

19.12.2023

Fragen an Volkswagen bezüglich der Veröffentlichung der Auditergebnisse

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir, die unterzeichnenden Organisationen, haben die Veröffentlichung der Ergebnisse der ESG Auditierung des Volkswagen-SAIC-Werk durch die Löning Human Rights & Responsible Business GmbH zur Kenntnis genommen. In unserem Brief vom 11.07.2023 haben wir umfangreich unsere Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines Audits in der uigurischen Region dargelegt. 

Nach der Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse distanzierten sich die Mitarbeiter*innen von Löning in einer Erklärung auf LinkedIn von dem Audit und behaupteten, dass „kein anderes Teammitglied von Löning an diesem Projekt beteiligt war, es unterstützt oder gefördert hat“. Ein Artikel der Financial Times enthält weitere Einzelheiten zu den internen Uneinigkeiten bezüglich der Durchführung dieser Prüfung. Daraus ergeben sich weitere Fragen hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Ergebnisse des Audits. Wir möchten Sie daher bitten, die folgenden Fragen zu beantworten:

  1. Die Mitarbeiter*innen der Firma Löning distanzieren sich von der Prüfung aufgrund der Menschenrechtslage in China und in der uigurischen Region. Sie gaben bekannt: „Die Menschenrechtslage in China und Xinjiang und die Herausforderungen bei der Erhebung aussagekräftiger Daten für Audits sind bekannt und auch in diesem Projekt präsent.“ War Ihnen bekannt, dass kein anderes Teammitglied bei Löning diese Prüfung befürwortete? Wenn ja, warum haben Sie beschlossen, so vorzugehen?
  2. Markus Löning, Geschäftsführer von Löning, räumte ein, dass die Datenerhebung eine Herausforderung darstelle. Wie haben Sie dies bei der Durchführung des Audits berücksichtigt? Wie haben Sie dies bei der Analyse der Ergebnisse der Prüfung berücksichtigt?
  3. Laut Markus Löning bestand die Hauptgrundlage für die Prüfung in einer Überprüfung der Unterlagen der 197 Beschäftigten des Werks und nicht in Befragungen, was „gefährlich“ sein könnte. Löning sagte der Financial Times: „Selbst wenn sie etwas wüssten, könnten sie das in einem Interview nicht sagen“. Dennoch wurden 40 Personen für die Prüfung befragt. Wenn die Firma Löning wusste, dass die Befragungen für die Teilnehmer*innen gefährlich waren und wahrscheinlich nicht die erforderlichen Informationen liefern würden, warum wurde dann die Sicherheit dieser 40 Personen aufs Spiel gesetzt? Und warum wurde die Prüfung durchgeführt, wenn man wusste, dass die Befragungen nicht die erforderlichen und aussagekräftigen Informationen liefern würden?
  4. Laut Markus Löning hat der leitende Strategieberater der Firma Löning, Christian Ewert, der das Projekt leitete, über 20 Jahre Erfahrung mit Sozialaudits in China. Welche Erfahrungen hat Christian Ewert mit staatlich verordneter Zwangsarbeit, und welche Indikatoren werden in diesem Zusammenhang angewendet?

Zusätzlich zu dem fraglichen Werk bestehen auch Zwangsarbeitsrisiken in Bezug auf die Lieferketten von Volkswagen. Ein Bericht der Sheffield Hallam University hatte ergeben, dass die Lieferketten von Volkswagen stark mit der uigurischen Region verbunden sind und daher ein besonders hohes Risiko für den Einsatz uigurischer Zwangsarbeit besteht. Laut einer dpa-Meldung versichert VW-Rechtsvorstand Manfred Döss: „Wir werden auch in Zukunft alle Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen sehr ernst nehmen. Wenn es Verdachtsmomente oder Hinweise gibt, werden wir diesen nachgehen.“ Auf der Hauptversammlung der Volkswagen AG 2023 haben wir auf die Risiken von Zwangsarbeit in der chinesischen Stahl- und Aluminiumbranche hingewiesen; betroffene Lieferanten könnten auch andere Volkswagen-Standorte in China beliefern. Soweit uns bekannt ist, nutzen Sie in diesem Zusammenhang nach eigenen Angaben aktiv Ihr Nachhaltigkeitsrating (S-Rating). 

  1. Welche weiteren Maßnahmen ergreifen die Volkswagen AG und ihre Joint Ventures, um Risiken staatlich verordneter Zwangsarbeit bei Lieferanten in China präventiv zu erkennen, zu minimieren und auszuschließen?

In der gesamten uigurischen Region gibt es weit verbreitete, systematische staatliche Zwangsarbeit. Es ist nicht möglich, ein einzelnes Werk aus diesem Kontext herauszulösen, noch kann ein Unternehmen einzelne Fälle von Zwangsarbeit verhindern oder beheben. In diesem Zusammenhang und im Einklang mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte besteht für uns die einzige verantwortungsvolle Maßnahme für ein Unternehmen darin, die Region vollständig zu verlassen.

Wir begrüßen es, dass Sie der Öffentlichkeit gegenüber mehr Transparenz zeigen wollen. Dieser Brief mit unseren Fragen ist daher auch ein offener Brief, den wir hier auf unserer Website veröffentlicht haben. Wir bitten Sie daher auch um öffentliche Antworten bis zum 19.01.2024.

Mit freundlichen Grüßen

Gheyyur Kuerban
Berlin Direktor Weltkongress der Uiguren e.V.

Eva Stocker
Senior Project Officer Weltkongress der Uiguren e.V.

Hanno Schedler
Referent für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung Gesellschaft für bedrohte Völker e.V.

Christian Russau
Vorstandsmitglied Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre e.V.

Tilman Massa
Co-Geschäftsführer Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre e.V.