Aktuelle Themen

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Uiguren in Ostturkestan (offiziell die “Uigurische Autonome Region Xinjiang”) werden unentwegt von der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) schikaniert. Die KPCh hat ihren Angriff auf die in internationalem sowie in chinesischem Recht garantierten grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten ausgeweitet auf die Quasi-Kriminalisierung uigurischen Lebens in seinen grundlegendsten Facetten.

Zusätzlich zu diesen schweren und systematischen Menschenrechtsverletzungen begeht die chinesische Führung seit Ende 2016 Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Zu diesem Zeitpunkt führte der gerade eingesetzte KPCh-Sekretär für die Uiguren Region, Chen Quanguo, nicht nur ein System zur totalen Überwachung der uigurischen Bevölkerung im öffentlichen und im privaten Raum ein, sondern richtete auch verschiedene Arten von politischen Umerziehungslagern flächendeckend in Ostturkestan ein. Eine Vielzahl von ungeklärten Todesfällen sowie Berichten von Folter begleiteten die Gründung dieser sogenannten “Berufsbildungseinrichtungen”.

Uiguren leiden schon seit Jahrzehnten unter staatlich organisierter Diskriminierung aufgrund ihrer Religion, Sprache und Kultur. Wir sind Zeugen geworden der Einführung und Umsetzung drakonischer Gesetze, welche die Zerstörung der Lebensweise der Uiguren unmittelbar zum Ziel haben ─ vorgeblich im Namen von Sicherheit und Anti-Terror Maßnahmen. Chinas Anti-Terror Gesetz trat am 1. Januar 2016 in Kraft und hat bereits zu Rechtsmissbrauch in nie dagewesenem Ausmaß geführt. Die Ausführungen dieses Gesetzes wurden sodann aufgrund ihrer übermäßig weit-gefassten Definitionen und ungenauen Formulierungen von der internationalen Gemeinschaft weithin verurteilt.

Anstelle den Wurzeln der Spannungen zwischen den verschiedenen Volksgruppen auf den Grund zu gehen, entschied sich die chinesische Regierung den Islam für die Gewalt verantwortlich zu machen, die von einem sehr kleinen Teil der Bevölkerung ausgegangen war. Kollektivbestrafung ist das Endergebnis dieser Politik, während die Regierung weiter die Idee vertritt, dass der Ausdruck uigurischer Kultur und religiöser Bräuche nur zu Instabilität führen könne. Die chinesischen Machthaber vergessen mithin, dass nur Toleranz und echte Autonomie Abhilfe schaffen können.

Politische Umerziehungslager

2019 wird geschätzt, dass 1-3 Millionen Uiguren ohne Anklage in verschiedenen Arten von politischen Umerziehungslagern festgehalten werden. Nachdem diese Missstände von der Presse und von Akademikern nachdrücklich angesprochen wurden, veränderte die chinesische Seite im August 2018 ihr Narrativ des Bestreitens der Existenz dieser Lager und betitelte sie nun als “Berufsbildungseinrichtungen” ─ entgegen glaubwürdiger Berichte von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlungen in den Lagern. Die chinesische Regierung behauptet, dass die Uiguren und andere muslimische indigene Minderheiten in der region (wie z.B. Kasachen, Kirgisen und Tataren) Berufsbildung erhalten, um ihre Chancen eine Arbeit zu finden zu steigern. Diese Behauptungen stehen im Gegensatz zur Tatsache, dass sich erfolgreiche Geschäftsleute sowie uigurische Persönlichkeiten aus Lehre und Showbusiness unter den Internierten befinden.

Die Lager begannen im April 2017 ihre spätere Form anzunehmen, als Uiguren im Exil begannen den Kontakt zu ihren Verwandten zu verlieren. 2019 vermisst praktisch jede Familie in der uigurischen Diaspora Familienmitglieder, die vermutlich in den Lagern verschwunden sind. Es bestehen verschiedene Gründe, warum Uiguren in den Lagern enden: Kontakt mit Verwandten im Ausland, Zurückkommen von Hochschulstudien im muslimischen Ausland, überdurchschnittlicher Stromverbrauch, etc.

Die Lagerinsassen werden auf unbestimmte Zeit und ohne Anklage außerhalb jeder gesetzlichen Grundlage festgehalten. Sie werden gezwungen an Indoktrinationsunterricht teilzunehmen, der darauf abzielt ihre einzigartige kulturelle, religiöse und ethnische Identität zu zerstören. Sie erhalten sehr wenig Nahrung, sind in überfüllten Zellen eingepfercht und erhalten keine Rechtsvertretung während des Prozesses der Verhaftung und Inhaftierung.

Trotz sehr strenger Reisebeschränkungen für jeden Besucher oder Einwohner der Region, geben Berichte von Human Rights Watch, unabhängigen Forschern sowie Aussagen von Lagerüberlebenden, die aus ihrer Heimat flüchten konnten, gute Anhaltspunkte über das Ausmaß, zu welchem die uigurische Bevölkerung unterdrückt wird, und bieten einen Einblick in das Leben in den Lagern.

Berichte von Folter in den Lagern sind weitverbreitet und eine steigende Zahl von Uiguren sind in den Lagern gestorben, so wie der bekannte uigurische Religionsgelehrte Muhammad Salih Hajim, der im Alter von 82 Jahren im Januar 2018 starb.

In den Lagern werden viele uigurische Schriftsteller und Akademiker festgehalten. Dies spiegelt die steigende ethnische Unterdrückung wider. Unter den Verschwundenen sind Rahile Dawut, eine international bekannte Folkloristin; Professoren für Literatur Abdukerim Rahman, Azat Sultan und Gheyretjan Osman; Professor für Linguistik Arslan Abdulla und der Dichter Abdulqadir Jalaleddin.

Bürgerliche und Politische Rechte

Religionsfreiheit

Die chinesische Politik zielt seit vielen Jahren darauf ab, Religionsausübung nicht-Han-chinesischer Gruppen zu beschränken. Diese Policies wirkten sich in jüngerer Zeit besonders of die uigurische Bevölkerung aus. Zusammen genommen bedroht die Unzahl von Einschränkungen den Islam als Grundlage für kulturelle Identität in China.

Religionsfreiheit ist in Art. 36 der chinesischen Verfassung garantiert; “normale religiöse Aktivitäten” werden laut der Verfassung geschützt. Zudem besagt Art. 36 der Verfassung: “Niemand darf Religion benutzen, um die öffentliche Ordnung zu stören.” Da “normale religiöse Aktivitäten” keine Definition im chinesischen Recht haben, geben die beiden genannten Einschränkungen dem Staat weitreichende Mittel, um tief in die Religionsfreiheit einzugreifen.

Im Juni 2017 wurde eine abgeänderte Version der “Verordnung über Religiöse Angelegenheiten” erlassen. Die Änderungen erlauben der Regierung mehr Kontrolle bei der Überwachung und Steuerung von Aktivitäten zur Religionsausübung und beinhalten Beschränkungen, die dazu dienen sollen “Extremismus einzudämmen” und “Unterwanderung zu widerstehen”.

Im März 2017 erließ die Regionalregierung Ostturkestans eine Verordnung zur “De-Extremifizierung”, welche insbesondere auf den Islam abzielte. Gemäß dieser Verordnung sind dies Zeichen von “Extremifizierung”: das Tragen von Kleidung, die das Gesicht bedeckt; das Tragen von “ordnungswidrigen Bärten”; das Zur Schau Stellen von “extremifizierenden” Symbolen; die Veröffentlichung oder der Besitz von Material mit “extremistischem Inhalt”. Die Verordnung verbietet zudem Eltern ihren Kindern 28 ausgewählte (muslimische) Namen zu geben. Unter 18-jährige Uiguren dürfen zudem Moscheen nicht betreten. Aktivitäten zur Religionsausübung sind nur noch in “offiziell zugelassenen religiösen Räumlichkeiten” erlaubt und Imame werden von der Regierung handverlesen und streng überprüft.

Kommunale Verordnungen wurden überdies 2017 erlassen, die Restaurantbesitzer zwigen während des Ramadans ganztägig Essen anzubieten und es Lehrern und Beamten verbieten an dieser religiösen Praxis überhaupt teilzunehmen. Im Oktober 2018 wurde eine anti-halal Kampagne von der Regierung gestartet, die vorgab einen angeblichen Prozess der “Pan-Halalisierung” zu bekämpfen. Der Zugang zu offiziell zugelassenen religiösen Orten, wie beispielsweise Moscheen, wird von Ganzkörper-Scannern überwacht, welche jeden Besucher identifizieren und alle persönlichen Daten an die Behörden weiterleiten.

Groß angelegte Kampagnen zur Zerstörung von Moscheen begannen Ende 2016. Radio Free Asia gab an, dass allein im Herbst 2016 rund 5000 Moscheen zerstört wurden. Die Regionalregierung führte “Sicherheitsbedenken” als Grund an.

Folter

In Gefängnissen sowie im weitgefächerten System von verschiedenen Typen von Internierungslagern werden Uiguren regelmäßig der Folter und unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen unterzogen. Lagerüberlebende berichten von psychologischen und körperlichen Misshandlungen, die dazu dienen, falsche Schuldeingeständnisse oder Informationen über Menschen zu erpressen, welche die Verhörten gar nicht kennen. Es gibt Berichte von erzwungenem Schlafentzug und Körperverletzungen während dieser Verhöre. Ebenso wurde von überfüllten und höchst unhygienischen Zuständen in den Lagerzellen berichtet. Todesfälle während der Inhaftierung aufgrund von Folter oder der Verweigerung von medizinischer Hilfe kommen laut Berichten ebenfalls regelmäßig vor.

Mihirgul Tursun, Lagerüberlebende, erhielt Asyl in den USA, wo sie nun die an ihr und anderen Frauen in den Lagern verübten Schreckenstaten der Öffentlichkeit berichtet.

Zudem hat China seine Zivilprozessordnung (ZPO) nicht geändert, um den Anforderungen des UN Übereinkommens gegen Folter nachzukommen, einen breiteren Umfang von Missbrauchshandlungen als Folter zu definieren. Polizeibeamten ist es überdies erlaubt, Personen, denen terroristische oder andere staatsgefährdende Aktivitäten vorgeworfen werden, keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand zu gewähren, was die Gefahr des Gebrauchs von Folter in Abwesenheit von rechtlicher Überwachung begünstigt. Zudem erlaubt die ZPO der VR China den Gebrauch von Informationen, die unter Zwang erhoben wurden, als Beweise vor Gericht.

Recht auf Privatsphäre

Seit ihrer Gründung hat die VR China systematisch ihre Bürger überwacht und hemmungslos deren Daten gesammelt. Videoüberwachung an öffentlichen Orten mit Gesichtserkennung wird seit den frühen 2000er Jahren im gesamten Land genutzt. Dies geschah mit Intelligence-Led-Policing im Zusammenhang mit dem Projekt “Goldener Schild” (金盾工程).

2014 startete die chinesische Regierung die so-genannte Kampagne “Harten Durchgreifens” gegen gewaltsame Taten und Terrorismus (严厉打击暴力恐怖活动专项行动). Gegen Ende 2016 setzte der neue Parteisekretär für die Uiguren Region, Chen Quanguo, neue Maßnahmen ein, die zuvor in Tibet benutzt wurden, um nun Ostturkestan in einen Polizeistaat totaler Überwachung zu verwandeln. Die Regionalverwaltung richtete unter ihm etwa 7.500 neue Polizeistationen ein, führte systematische Gesichtserkennung an öffentlichen Orten überall in der Region ein, sowie GPS-Tracking von privaten Fahrzeugen und Zwang sowohl einheimische Uiguren als auch Touristen, Spyware auf ihre privaten Smartphones installieren zu lassen.

Die China Electronics Technology Group Corporation (CETC) hat sogenannte “Dreidimensionale Portrait und integrierte Datentore” entwickelt, welche die Gesichter von Personen scannen und Informationen von deren elektronischen Geräten und Dokumenten einlesen. Diese Datentore werden für Identitätsüberprüfungen an vielen Polizeicheckpoints sowie an Eingängen zu bewachten Wohnanlagen und öffentlichen Einrichtungen, wie Schulen und Moscheen, verwendet.

CETC’s “3D Portrait und integrierte Datentore” –  Dieses Gerät befindet sich am Eingang der Aq Moschee in Urumqi, 2018. Quelle: Joanne Smith Finley.

Zusätzlich zu diesem umfassenden Überwachungsprogramm in der Uiguren Region investieren andere chinesische Provinzen und Regionen seit 2018 in Gesichtserkennungstechnologie, die angeblich “uigurische Eigenschaften” identifizieren könne.

Die Polizei und andere Behörden nutzen die „Integrationsplattform für gemeinsame Einsätze“ (IPGE), um über ihre Einsätze zu kommunizieren und persönliche Daten von Individuen auszutauschen. Das zentrale Betriebssystem sammelt Daten aus verschiedenen Quellen, wie beispielsweise von Überwachungskameras, Polizeicheckpoints, Paketzustellungen und 3D-Zugangsscannern an Schulen, Moscheen etc.. Diese Daten werden sodann genutzt, um detaillierte Bewegungsprofile von Individuen anzulegen.

Daten, die von der IPGE Polizei Smartphone Application erhoben wurden, bestehen aus persönlichen Grunddaten, aber auch aus Kfz-Zulassungsdaten, den Beziehungen einer Person zu Personen im selben Haushalt, politischen und religiösen Überzeugungen ebenso wie Bankdaten und Tätigkeiten oder anderen Verbindungen ins Ausland. Die App weist die Beamten an, 36 “Typen” von Personen besonders gründlich zu untersuchen. Diese beinhalten unter anderem Personen, die vor kurzem aus der Haft oder aus Umerziehungslagern entlassen wurden, diejenigen, die mit ihren Nachbarn keine Kontakte pflegen, inländische Migranten, Personen, die sich registrieren um ins Ausland zu reisen oder mit Menschen im Ausland in Kontakt stehen, etc..

Zwischen Juni und November 2017 sammelte die chinesische Regierung DNA Proben, Fingerabdrücke, Iris Scans und Blutgruppen von praktisch der gesamten Bevölkerung der Uiguren Region. Dies geschah im Rahmen des Programms “Medizinische Untersuchungen für Alle”, das kostenlose medizinische Untersuchungen für alle Bewohner Ostturkestans anbot. 

Obwohl die Teilnahme an dem Programm freiwillig sein sollte, wurden Teilnehmer von Regierungsvertretern genötigt, sich den Untersuchungen zu unterziehen. Als die Patienten verlangten, dass die Ergebnisse der Untersuchungen ihnen mitgeteilt werden mögen, teilten die Behörden ihnen mit, dass sie kein Recht dazu hätten, die Ergebnisse einzusehen. Die aus diesen Untersuchungen resultierenden Datensätze von 18,8 Millionen Personen wurden zusammengeführt mit den Daten von 40 Millionen Menschen landesweit. 

Die chinesische regierung begann 2013 mit der Kampagne “fanghuiju” (访惠聚), was als Abkürzung für “Untersuchung des Zustands von Menschen, Verbesserung der Lebensweise, die Herzen der Menschen gewinnen” steht. Teams von sechs Polizeibeamten oder kommunalen Regierungsvertretern, unter denen sich immer ein Uigure befindet, führen systematische und willkürliche Hausbesuche vor allem in ländlichen Gebieten durch. Sie berichten über “extremistische” Verhaltensweisen, wie beispielsweise die Weigerung Alkohol zu trinken, Fasten während des Ramadan oder das Tragen von ungewöhnlichen Bärten.

Im Oktober 2016 wurde diese Kampagne durch das sogenannte “Zu einer Familie werden” (结对认亲) Programm erweitert. Unter diesem Programm besucht eine Gruppe von Regierungsvertretern alle zwei Monate dieselbe uigurische Familie für eine Dauer von fünf bis acht Tagen. Diesen Beamten obliegt es jegliche “Probleme” oder “ungewöhnliche Begebenheiten” zu “korrigieren”. Neben dem Berichten über Sauberkeit oder Alkoholmissbrauch sollen die Parteikader die Menschen auch mit der Ideologie der KPCh indoktrinieren, sie davon abhalten ihren muslimischen Traditionen zu folgen oder ihre turkstämmige Identität zu erforschen. Die Gastfamilien scheinen keine Möglichkeit zu haben, diesen Besuchen zu widersprechen.

Seit 2019 geht das “Tut Euch zusammen und werdet eine Familie” Programm noch einen Schritt weiter. Männliche Han-Chinesen, die Teil sind von den oben beschrieben Hausbesuchen, schlafen im selben Bett mit uigurischen Frauen deren Männer in Umerziehungslagern festgehalten werden.

Wirtschaftliche Soziale und Kulturelle Rechte

Recht auf Bildung

Alle Arten von Schulen und Universitäten in der Uiguren Region sind heute dazu bestimmt die uigurischen Lernenden zu indoktrinieren, ausschließlich der Ideologie der KPCh folge zu leisten. Diejenigen, die weiterhin ihrer eigenen Kultur folgen, indem sie ihre vom Mandarin Chinesisch abweichende Muttersprache sprechen oder religiösen Praktiken folgen, wie zum Beispiel dem Fasten, werden als typische “doppelzüngige Personen” betrachtet; eine offizielle Kategorisierung der KPCh für Menschen, die auf der einen Seite auf die Regierung für ihre Arbeit oder Ausbildung angewiesen sind und auf der Anderen ihrer eigenen ethnischen Identität nicht entsagen. Die Einordnung als “doppelzüngige Person” führt zu einer verschärften Beobachtung des Privatlebens bis hin zur Einweisung in ein Umerziehungslager.

2019 wurde während des Ramadan von Schülern und Studierenden verlangt, sich mindestens drei Mal pro Woche in der Kantine ihrer Lehreinrichtung einzufinden, um zu Mittag zu essen. Sofern die Lernenden dieser Aufforderung nicht nachkamen, konnten sie selbst, ihre Eltern und die Schulbehörden bestraft werden, oder selbst in Umerziehungslager geschickt werden.

Uigurische Kinder, die als Schutzbefohlene des Staates aufwachsen ⎼ oftmals weil ihre Eltern in politischen Umerziehungslagern festgehalten werden ⎼ “wird gesagt sie sollen patriotische Bürger sein; ihnen wird gesagt, dass die Identität und Religion ihrer Eltern unnormal, wenn nicht gar radikal, war und daher ausgelöscht werden müsse” sagt James Leibold, ein Experte für ethnische Policy der VR China an der La Trobe University in Melbourne, Australien. Auch in normalen Kindergärten werden Kinder genötigt ihre Eltern auszuspionieren und jegliche “extremistische Aktivitäten”, so wie religiöse Praktiken, den die Kindergärten regelmäßig besuchenden Regierungsbeamten zu berichten.

Während Han chinesische Kinder in der Uiguren Region wählen können, ob sie ein Internat besuchen möchten oder weiterhin zu Hause wohnen wollen, werden uigurische Schüler oftmals gezwungen, Internate zu besuchen, was sie wiederum einer größeren Gefahr von kultureller Assimilierung und politischer Indoktrinierung aussetzt.

Sprachenrechte

Radio Free Asia berichtete am 18. Juli 2017, dass die uigurische Sprache in der Hotan Präfektur auf allen Bildungsebenen, vom Kindergarten bis zu Universitäten, verboten wurde. Seitdem überwachen viele schulen überall in der Uiguren Region rigoros, dass lernende aller Altersgruppen ausschließlich Mandarin Chinesisch auf dem Schul- oder Universitätsgelände sprechen. Lehrer berichten von Individual- und Gruppenbestrafungen von Schülern, denen vorgeworfen wurde, während oder außerhalb des Unterrichts Uigurisch gesprochen zu haben.

Diese Policy unterstützt eine Vielzahl anderer diskriminierender Bildungsprogramme, insbesondere die sogenannte “zweisprachige Bildung”. Diese Policy wurde mitte der 1980er Jahre eingeführt und in den frühen 2000er Jahren intensiviert. Die chinesische Regierung behauptet, das Ziel sei, den Bildungsstandard von ethnischen Minderheiten zu verbessern durch das Unterrichten sowohl in Mandarin Chinesisch als auch in Uigurisch. In Wirklichkeit wird dieses Programm in der Uiguren Region lediglich als Trick gebraucht, um uigurische Lernende auf allen Ebenen dazu zu bringen ausschließlich Chinesisch zu sprechen.

Die Bemühungen, die uigurische Sprache durch “zweisprachige Bildung” zu schwächen und mit der chinesischen Sprache zu ersetzen haben bereits Auswirkungen gezeitigt. Dies wird offensichtlich in der drastisch gestiegenen Zahl von uigurischen Lernenden, die heute in solchen Programmen eingeschrieben sind. Ende 2018 wurde bereits berichtet, dass alle 2,9 Millionen Grund- und Mittelschüler in der Uiguren Region ihre gesamte Bildung in chinesischer Sprache erfuhren; wohingegen der gebrauch ihrer Muttersprache auf den Schulgeländen weitgehend verboten worden war.

1997 begann die chinesische Regierung “Xinjiang Unterricht” einzurichten; ein Schulprogramm, das die besten Lernenden aus Schulen in der Uiguren Region entfernt und sie in Internaten im chinesischen Kernland unterbringt, wo sie ausschließlich in Mandarin unterrichtet werden. 2019 hatten bereits über 100.000 uigurische Schüler an diesem Programm teilgenommen.

Wirtschaftliche Diskriminierung

Sich schnell entwickelnde Industrien wie Stromanbieter, das Baugewerbe, der Bergbau oder der Beamtenapparat werden von Han-Chinesen dominiert. Uiguren sind zum größten Teil von den Vorteilen und Arbeitsmöglichkeiten, welche diese Entwicklung mit sich bringen, aufgrund ihrer Sprache und Volkszugehörigkeit ausgeschlossen. Eine erhebliche Anzahl von uigurisch muttersprachlichen Lehrern hat beispielsweise ihre Arbeitsstellen verloren, da heute Han chinesische Lehrer von außerhalb der Region im Lehrbetrieb bevorzugt werden.

Uiguren leben unverhältnismäßig mehr in den ländlichen Regionen im Südlichen Ostturkestan, während Chinesen sich eher in den nördlichen dichter bevölkerten Gebieten niederlassen. Uiguren sind in hohem Maße angewiesen auf die Landwirtschaft als Arbeitgeber und leiden unter hoher Arbeitslosigkeit; fast 80% der uigurischen Bevölkerung Ostturkestans lebt unter der Armutsgrenze. Bodenverschlechterung, Wassermangel und Land Grabbing durch chinesische Siedler verschlimmern ihre Situation. Die Migration von Uiguren in den Norden Ostturkestans hat die uigurische Gemeinschaft anfällig dafür gemacht, schlecht bezahlte und arbeitsintensive Arbeiten zu verrichten. Sie werden in jedem Fall schlechter bezahlt als ihre chinesischen Kollegen.

Die chinesische Belt and Road Initiative (BRI) hat die potentiellen Entwicklungsmöglichkeiten der gesamten Region stark erweitert, jedoch haben viele Entwicklungsprogramme die Lage der Uiguren noch weiter verschlechtert und zu noch mehr Ungleichheit geführt.

Das Anti-Terror Narrativ

Der Gebrauch von Terrorbekämpfung als Begründung für staatliche Maßnahmen ist eine neuere Entwicklung in der chinesischen Politik, die seit den Anschlägen des 11. September 2001 Momentum aufgenommen hat. Obwohl gelegentlich bereits in den 1990er Jahren von terroristischen Gefahren die Rede war, wurden die Proteste von Uiguren nicht als solche eingestuft; “Kriminalität”, “Hooligans” und “Gangs” wurden eher als Formulierungen in staatlichen Medienberichten gebraucht. Nach den Angriffen vom 11. September 2001 versuchte die chinesische Regierung dann eilig Verbindungen zwischen dem globalen Terrornetzwerk und den Auseinandersetzungen in der Uiguren Region zu ziehen.

Die Regierung nutzt seither Anti-Terror Maßnahmen als Begründung für die Missachtung verschiedenster Rechte der Uiguren. Die Kampagne Chinas gegen die “Drei Bösen Erscheinungen” (Terrorismus, religiöser Extremismus und Separatismus) wurde explizit benutzt um eine direkte Linie zwischen grundlegenden Aspekten der uigurischen Kultur und dem Terrorismus zu ziehen. Das Ergebnis ist eine weitgehende Kriminalisierung des uigurischen Lebens, welche Uiguren zunehmend, und fälschlicherweise, zum Synonym für die Gefahren des internationalen Terrorismus werden lässt.

Anti-Terror Gesetzgebung

Das Anti-Terror Gesetz der VR China wurde am 27. Dezember 2015 verabschiedet und beinhaltet übermäßig weite Definitionen von “Terrorismus” und “terroristischen Aktivitäten” in seinem Artikel 3. Diese können zu ungerechtfertigten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie der Ausübung von religiösen Praktiken führen. Gemäß Artikel 3 wird Terrorismus definiert als “Vorschläge und Taten, die gesellschaftliche Panik auslösen, die öffentliche Sicherheit gefährden, Personen und Eigentum verletzen, oder Staatsorgane oder internationale Organisationen mittels Gewalt, Zerstörung oder Einschüchterung zu nötigen versuchen politische, ideologische oder andere Ziele umzusetzen.” Ein solch langer und weiter Rechtsbegriff gibt dem Staat ausufernde Befugnisse, dieses Gesetz anzuwenden.

Die Definition von “terroristischen Aktivitäten” nutzt sogar noch beunruhigendere Formulierungen. Art. 3 II rechnet “Nötigung zum Tragen von Kleidung oder Symbolen, welche Terrorismus in der Öffentlichkeit bewerben,” zu terroristischen Aktivitäten. Dies ist Grund für große Sorge im Lichte der Gewohnheit der chinesischen Regierung, religiösen oder uigurischen Lebensstil mit Terrorismus zu verbinden. Uiguren wurden bereits zu Haftstrafen für das Tragen von traditioneller uigurischer Kleidung verurteilt unter Strafnormen, welche die öffentliche Zurschaustellung des Islams oder der uigurischen Kultur unter Strafe stellen. Art. 3 IV schließt diejenigen als Unterstützer von Terrorismus ein, die “andere Unterstützung, Mithilfe oder andere Förderung von terroristischen Organisationen” leisten. Diese vage Formulierung bietet unangemessenen Raum für Auslegung.

Regionale Umsetzung

Umsetzungsrichtlinien der Anti-Terror Gesetzgebung für die Uiguren Region wurden von der Regionalregierung am 29. Juli 2016 verabschiedet. Die Richtlinien erläutern den Anwendungsbereich der nationalen Gesetzgebung und schaffen direkte Verbindungen zwischen den ungenau definierten Rechtsbegriffen “Extremismus” und “Terrorismus”.

Das Anti-Terror Gesetz geht von einer direkten Verbindung zwischen religiöser Praxis, Extremismus und Terrorismus aus. Art. 7 besagt: “[Extremismus] ist die ideologische Grundlage für Terrorismus” und: “extremistischen Aktivitäten vorzubeugen und sie zu bestrafen ist eine wichtige Strategie, um den Wurzeln des Terrorismus entgegen zu treten.” Eine solch geradlinige Verbindung zwischen Religion und Terrorismus ist nicht nur besorgniserregend aufgrund ihrer Ungenauigkeit, sondern weil sie die Rolle unentwegter staatlicher Repression, die zu Gewalt führen kann, außer Acht lässt.

Verordnung zur “De-Extremifizierung”

Die nationale Verordnung zur “De-Extremifizierung” trat am 1. April 2017 in Kraft. Gemäß dieser Verordnung sind dies Zeichen von “Extremifizierung”: das Tragen von Kleidung, die das Gesicht bedeckt; das Tragen von “ordnungswidrigen Bärten”; das Zur Schau Stellen von “extremifizierenden” Symbolen; die Veröffentlichung oder der Besitz von Material mit “extremistischem Inhalt”. Die Verordnung verbietet zudem Eltern ihren Kindern 28 ausgewählte Namen zu geben. 

Im November 2018 schickte eine Gruppe von UN Experten und Arbeitsgruppen ein Kommuniqué an die chinesische Regierung, in welchem sie die Rücknahme der Verordnung verlangten. Sie merkten an, dass “die Homogenisierung einer Gesellschaft und das Ziel, Religion ‘chinesischer’ zu machen, keine legitimen Ziele nach internationalem Recht darstellten.”