Berichte über Vergewaltigungen in Uiguren-Lagern in China
Der Standard, 03.02.2021
Unten ein Artikel aus der Standard, Foto AFP.
Peking – Ein BBC-Bericht vom Dienstag hat weitere Informationen über Missbrauch und Vergewaltigungen in Umerziehungslagern für muslimische Uiguren in der nordwestlichen Region Xinjiang ans Tageslicht gebracht. Laut der BBC werden Frauen in den Lagern „systematisch vergewaltigt, sexuell missbraucht und gefoltert“. Der Bericht stützt sich auf Aussagen mehrerer früherer Insassinnen und eines Aufsehers. Eine Uigurin schilderte, wie sie in einem Lager im Kreis Xinyuan gefoltert und wiederholt von mehreren chinesischen Männern vergewaltigt worden sei.
Eine Kasachin aus Xinjiang schilderte laut BBC, wie sie als Insassin uigurische Frauen entkleiden und ihnen Handschellen anlegen musste, bevor sie mit Männern zusammengebracht worden seien. Die Chinesen hätten bezahlt, um sich hübsche Uigurinnen aussuchen zu können. Auch Lehrerinnen, die in Lagern Chinesisch unterrichten mussten, berichteten von Schilderungen von Insassinnen über Vergewaltigungen.
Peking hat die Zeugenaussagen am Mittwoch als unwahr zurückgewiesen. Chinas Außenministeriumssprecher Wang Wenbin sagte, die Vorwürfe der interviewten Frauen beruhten nicht auf Tatsachen: „Es sind nur Schauspieler, die falsche Nachrichten verbreiten.“
Millionen Uiguren sollen umerzogen werden
Nach Schätzungen von Menschenrechtlern leben hunderttausende Uiguren in Umerziehungslagern, die Peking als „Fortbildungseinrichtungen“ beschreibt. Manche Menschenrechtsorganisationen und Forscher gehen davon aus, dass mindestens eine Million Uiguren und andere Muslime in Lagern eingesperrt wurden. Sie werden demnach zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und teilweise auch misshandelt. US-Präsident Joe Biden sprach vor seiner Wahl von „Völkermord“, auch der neue US-Außenminister Antony Blinken sagte bei seiner ersten Pressekonferenz im Amt, er sei der Meinung, dass ein Genozid an den Uiguren begangen werde. Auch sein Vorgänger Mike Pompeo hatte einen Tag vor seinem Ausscheiden aus dem Amt formal festgelegt, „dass die Volksrepublik China in Xinjiang, China, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht, die sich gegen uigurische Muslime und Angehörige anderer ethnischer und religiöser Minderheitengruppen richten“.
Schätzungsweise zehn Millionen Uiguren leben in China, die meisten in Xinjiang. Das muslimische Turkvolk fühlt sich von den herrschenden Han-Chinesen unterdrückt. Nach ihrer Machtübernahme 1949 hatten die Kommunisten das frühere Ostturkestan der Volksrepublik einverleibt. Die Regierung wirft uigurischen Gruppen Separatismus und Terrorismus vor.
Gerüchte über Boykott
Das Vorgehen der Regierung gegen die Uiguren sowie auch gegen Tibeter und die Oppositionsbewegung in Hongkong befeuert Gerüchte über einen möglichen Boykott der Olympischen Winterspiele 2022 durch den Westen. Diese sollen in genau einem Jahr in Peking stattfinden. Laut „Wirtschaftswoche“ soll die US-Regierung diesbezüglich Überlegungen hegen. „Berater von Biden fühlen aktuell bei europäischen Regierungen vor, ob sie den Boykott mittragen würden“, heißt es in der „Wirtschaftswoche“ unter Berufung auf Diplomaten.
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, bestätigte die Gerüchte nicht. Sie könne „keine Änderung der Herangehensweise an die Olympischen Spiele in Peking“ verkünden. Auch in den europäischen Hauptstädten gab es bisher keine Reaktionen auf die Spekulation.
Protest gegen Menschenrechtsverletzungen
Ein Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) erklärte auf Anfrage der deutschen Sportnachrichtenagentur, dass man Spekulationen nicht kommentieren werde. Zuvor hatte IOC-Präsident Thomas Bach bereits versucht, Zuversicht zu verbreiten. „Wir können bereits ein Jahr zuvor sagen, dass alle Wettkampfstätten fertig sind, die Vorbereitungen sind exzellent“, sagte Bach Chinas staatlicher Nachrichtenagentur Xinhua. Es sei „fast ein Wunder“, dass die Vorbereitungen trotz der Pandemie so glatt liefen.
Bereits im September hatten 160 Menschenrechtsgruppen den IOC-Präsidenten aufgefordert, Peking die Spiele zu entziehen – aus Protest gegen Menschenrechtsverletzungen. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die dortigen Sommerspiele 2008 das chinesische Regime international aufgewertet hätten. „Die Spiele 2022 werden unter Menschenrechtsbedingungen stattfinden, die signifikant schlechter sind als bei den Spielen in Peking 2008“, schrieb die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) Mitte Dezember in einem offenen Brief an Bach. Das IOC habe „die Augen vor den weitverbreiteten und systematischen Menschenrechtsverletzungen durch die chinesischen Behörden verschlossen“, hieß es in einem weiteren Brief von mehreren Menschenrechtsgruppen, die Tibeter, Uiguren und andere Gruppen aus Hongkong vertreten. Sie forderten das IOC auf, Belege dafür vorzulegen, dass China sich an die Pflicht zur Einhaltung der Menschenrechte hält, die es bei der Vergabe der Spiele 2015 eingegangen ist.
Das chinesische Außenministerium reagierte umgehend und bezeichnete die „politisch motivierten“ Aufrufe als „unverantwortlich“. Die Spiele würden ein „wunderbares und herausragendes Ereignis“ werden. Ein Boykott, da ist sich Sprecher Wang Wenbin sicher, „wird von der internationalen Gemeinschaft nicht unterstützt“.