Menschenrechtsverletzungen in Ost-Turkestan

Veröffentlicht am 28.04.2006

Ost-Turkestan, ebenso bekannt unter dem Namen Uigurisches Autonomes Gebiet Xinjiang, bleibt weiterhin eine Region, in der systematische Menschenrechtsverletzungen durch die chinesischen Obrigkeiten verübt werden.

Nachdem die kommunistische chinesische Regierung Ost-Turkestan 1949 besetzte, verfolgte sie eine Politik, welche die Uiguren systematisch assimilieren, ihre Kultur zerstören und ihren Glauben ausrotten sollte.

Gegenwärtig ist Ost-Turkestan eine Region, in der die Uiguren immer noch einen Überlebenskampf für ihr Fortbestehen führen. Ihre grundlegendsten Freiheits- und Menschenrechte (hierzu gehören bürgerliche-, politische-, wirtschaftliche-, soziale- und kulturelle Rechte) werden von den chinesischen Behörden in großem Umfang verletzt. Zur gleichen Zeit stellen die Zuwanderung von chinesischen Siedlern, einhergehend mit einer aufgezwungenen Geburtenkontrolle bei uigurischen Frauen ebenso wie die systematische Beeinflussung der uigurischen Sprache durch das Chinesische die größten Bedrohungen für das Überleben der Uiguren dar. Die Bewohner Ost-Turkestans werden weiterhin aus politischen Gründen eingesperrt, gefoltert und hingerichtet.

Laut Amnesty International haben die chinesischen Behörden seit dem 11.September 2001 mehr als 3 000 Uiguren gefangen genommen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am 21.Januar 2006, indem sie die Zeitung Xinjiang Daily zitierte, dass allein im Jahr 2005 18 000 Uiguren verhaftet wurden, weil man ihnen vorwarf „Separatisten“, „religiöse Extremisten“ oder „Terroristen“ zu sein.

Darunter befinden sich Wissenschaftler wie Tohti Tunyaz, Schriftsteller wie Nurmuhammed Yasin, Journalisten wie Abdulgani Memetemin und Herausgeber wie Koresh Huseyin. Im November ´05 verurteilte  die Organisation Reporter Ohne Grenzen die 3 jährige Haftstrafe, die von einem Gericht in Kashgar, einer Stadt im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang, über Koresh Huseyin verhängt wurde, den man beschuldigte, eine Fabel veröffentlicht zu haben, die angeblich auf die rauen Gesetze in dieser Region anspielt.

Eingesperrte muslimische Uiguren werden häufig der Folter ausgesetzt. Dies hinterlässt bei den Opfern neben den physischen oft auch psychische Narben. Laut Dr. Manfred Novak, dem UN-Sonderbeauftragter für Folter, „ist Folter in China immer noch weit verbreitet“ und Gruppen, zu denen muslimische Uiguren und Tibeter gehören „wurden vorzugsweise Ziele von Folter“. Dr. Novak gab dies bekannt, nachdem er auf seiner letzten Chinareise Internierungslager in Xinjiang, Tibet und Peking besucht hatte. Eine UN-Stellungnahme sprach später davon, dass die chinesischen Behörden über Jahre hinweg verschiedenste Foltermethoden anwendeten wie z.B. Elektroschocks, das Ausdrücken von Zigaretten auf der Haut, das Überziehen von Kapuzen und Augenbinden, das Untertauchen der Gefangenen in Wasser und sogar Abwasser oder Folterungen durch extreme Hitze oder Kälte.

Amnesty International berichtete ebenso, dass seit dem 11.September mehr als 200 muslimische Uiguren aus politischen Gründen hingerichtet wurden und weitere 50 wegen sogenannter separatistischer und terroristischen Aktivitäten zum Tode verurteilt wurden. Nach Berichten der Agenturen Reuters und AFP vom 17.August 2004 wurden vier weitere muslimische Uiguren hingerichtet, weil sie beschuldigt wurden „Separatisten“ zu sein.

Trotz der von der internationalen Staatengemeinschaft ausgedrückten Bedenken benutzen die chinesischen Behörden weiterhin den internationalen Kampf gegen den Terrorismus als Vorwand, um massiv gegen die Uiguren vorzugehen. Laut dem jährlich erscheinendem Menschenrechtsbericht für das Jahr 2004, der vom US-Außenministerium im Februar 2005 veröffentlicht wurde, benutzt die chinesische „Regierung den internationalen Kampf gegen den Terrorismus als Vorwand um gegen des Separatismus verdächtigte muslimische Uiguren, welche friedlich ihre abweichende politische Meinung ausdrückten, und unabhängige muslimische Führer hart durchzugreifen“. Amnesty International beklagte im Jahresbericht 2004, dass „China seine Unterdrückung der muslimischen Uiguren einfach unter dem Decknamen des Kampfes gegen den `Terrorismus´ verschleiert.“ In ihrem letzten Bericht beklagte Human Rights Watch, dass „der weltweite Krieg gegen den Terrorismus … Peking einen fadenscheinigen Grund (liefere), härter denn je in Xinjiang durchzugreifen“ und dass Einzelne, die friedliche religiöse wie kulturelle Botschaften in Xinjiang verbreiteten, Terroristen seien, die ihre Taktik verändert hätten.

Vor 1949 gab es in Ost-Turkestan nur etwa 300 000 chinesische Siedler. Laut einer offiziellen chinesischen Volkszählung sind es mittlerweile mehr als 7 Millionen. Unabhängige Beobachter gehen davon aus, dass die wirkliche Zahl wesentlich höher liegt. Es wird geschätzt, dass jedes Jahr 250 000 neue chinesische Siedler nach Ost-Turkestan übersiedeln. Laut verlässlichen Quellen aus Ost-Turkestan plant die chinesische Regierung auf lange Sicht mindestens 40 bis 50 Millionen Chinesen in der Region anzusiedeln. Umsiedlungen, einschließlich der Verpflanzung von Siedlern und Siedlungen, wurde vom UN-Unterausschuss zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte bereits in seinen Resolutionen  von 1991,’92 und ’93 aufgenommen, da sie die grundlegenden Menschen- und Freiheitsrechte nicht nur derer beeinträchtigt, die von der Regierung umgesiedelt werden, sondern auch die der ursprünglichen Bewohner des betreffenden Gebietes. In seiner Resolution bemerkte der Unterausschuss ebenso, dass diese Praxis durchaus einen Völkermord bedeuten könnte. Wie bereits erwähnt, kann diese Bevölkerungsumsiedlung nicht nur die Rechte derer beeinträchtigen, die umgesiedelt werden, sondern auch die Rechte derer, in deren Gebiet die Siedler übersiedelt werden. Durch den ständigen Zuzug an chinesischen Siedlern, sind die ursprünglichen Bewohner Ost-Turkestans damit konfrontiert, in ihrer eigenen Heimat eine kleine Minderheit zu werden und so ihre eigene kulturelle Identität zu verlieren. Diese Politik des demographischen Angriffs verletzt nicht nur das Recht auf Selbstbestimmung der betroffenen Völker. Hier werden genauso wirtschaftliche-, soziale- und kulturelle Rechte, die mit grundlegenden Menschenrechten einhergehen, beeinträchtigt. Somit wird unausweichlich auch die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Situation der Opfer verschlechtert.

Das stetige Anwachsen der chinesischen Bevölkerung bescherte den muslimischen Uiguren Arbeitslosigkeit, Hunger und Leid. Die Chinesen haben so nicht nur die politische und wirtschaftliche Macht  an sich gerissen, sondern auch die Kontrolle über fast alle Gesellschaftsbereiche in Ost-Turkestan. Deshalb gibt es unter den Chinesen keine Arbeitslosigkeit , allerdings steigt die Arbeitslosenquote unter den muslimischen Uiguren alarmierend schnell an. Trotz des natürlichen Reichtums dieser Region, leben viele Uiguren am Existenzminimum und fast 80% leben unterhalb er Armutsgrenze. Laut einem Bericht der Regierung von Xinjiang, der im Oktober 2004 veröffentlicht wurde, ist das durchschnittliche Einkommen der chinesischen Siedler in Ost-Turkestan vier Mal höher als das der Uiguren. Ungefähr 85% der Uiguren sind Bauern. Nach dem gleichen offiziellen chinesischen Bericht liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen eines uigurischen Bauerns bei 820 Yuan, was umgerechnet ungefähr 100 US-Dollar sind, wohingegen ein chinesischer Bauer in Ost-Turkestan ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 3 000 Yuan zur Verfügung hat. Der Großteil des fruchtbaren Bodens dort wird von der XPCC bzw. Bintuan (Xinjiang Production and Construction Corps) besetzt. Deshalb leben, speziell im südlichen Ost-Turkestan, viele uigurische Bauern unterhalb des Existenzminimums.

Um das Bevölkerungswachstum der Uiguren zu beschränken wird bei uigurischen Frauen eine aufgezwungene Geburtenkontrolle durchgeführt. Dies widerspricht den von China gemachten Aussagen, Minderheiten besondere Geburtenraten zuzugestehen. Vor kurzem wurde in Chapchal, einer Stadt mit 180 000 Einwohnern, nur 100 Frauen erlaubt, Kinder zu bekommen. In derselben Stadt wurden 40 muslimische Uiguren, die für die chinesische Stadtverwaltung arbeiteten, entlassen, weil ihre Frauen schwanger waren. Laut derselben Informationsquelle hat die Geburtenkontrolle zum Tod Tausender von  Frauen und Kindern in ganz Xinjiang geführt. Entgegen der „Ein-Kind-Politik“ dürfen chinesische Siedler in Ost-Turkestan mehrere Kinder haben.

Heutzutage verfolgen die chinesischen Behörden eine Politik der systematischen Beeinflussung der uigurischen Sprache und Literatur durch das Chinesische. Bis 1949 beinhaltete die uigurische Sprache kaum chinesische Wörter. Bis heute wurde jedoch eine große Anzahl chinesischer Wörter in den uigurischen Wortschatz eingeführt und deshalb mehrere Tausend Wörter des uigurischen Wortschatzes gestrichen und durch chinesische Wörter ersetzt, weil sie zum Beispiel „für den Aufbau des Sozialismus ungünstig“ waren oder der „nationalen Einheit“ nicht dienten. Laut uigurischer Gelehrter habe diese Situation alarmierende Ausmaße erreicht. Der heutige Wortschatz der Uiguren beinhaltet unzählige chinesische Wörter. Wenn dagegen nichts unternommen wird, könnte die uigurische Sprache, welche zur altaischen Sprachfamilie gehört, und über 2 000 Jahre eine große Rolle bei der Entwicklung  zentralasiatischen Zivilisation spielte, bald ausgestorben sein. Darüber hinaus haben die chinesischen Behörden alle uigurischen Schulen in Ost-Turkestan mit chinesischen Schulen zusammengelegt und Chinesisch als Unterrichtssprache festgelegt.

Außerdem führt die chinesische Regierung einen zerstörerischen Feldzug der religiösen Unterdrückung gegen muslimische Uiguren. Nach dem 114 Seiten starken Bericht von Human Rights Watch und Human Rights in China, der am 12.April 2005 veröffentlicht wurde, „bietet der weltweite Kampf gegen den Terrorismus Peking die perfekte Ausrede um in Xinjiang härter als je zuvor durchzugreifen“. Die übrigen Chinesen genießen immer größere Religionsfreiheit. Die Uiguren und Tibetaner beobachten allerdings, dass ihre Religion zum Kontrollwerkzeug wird. Kürzlich erst haben die chinesischen Behörden die Fesseln der Uiguren noch etwas fester gezogen, indem sie Regierungsvertretern, Staatsdienern, Parteimitgliedern, Kindern und in manchen Fällen sogar Frauen und Kindern verboten, Moscheen zu betreten. Ein Photo, welches an Radio Free Asia (RFA) geschickt wurde, zeigt ein Schild über dem Eingang einer Moschee im Süden Ost-Turkestans, welches Muslimen verbietet, zum Gottesdienst zu gehen. Der Grund für dieses besonders harte Vorgehen gegen den Islam ist die Assimilierungspolitik der chinesischen Regierung in Ost-Turkestan. Die kommunistische chinesische Regierung denkt, dass sie die Gläubigen nicht assimilieren kann, bevor sie nicht deren Glauben ausrottet.

Infolge der derzeitigen Politik der chinesischen Behörden befindet sich das Volk Ost-Turkestans in einer verzweifelten und frustrierenden Situation. Diese Frustration kann für alle Betroffenen schwerwiegende Folgen haben, speziell für die muslimischen Uiguren. Deshalb besteht in Ost-Turkestan dringender Handlungsbedarf, um die wachsenden Spannungen zu entschärfen, indem die schwerwiegenden systematischen Menschenrechtsverletzungen endlich beendet werden. In einer Situation, in der es um Konfliktvermeidung geht, ist das Wahren von Menschenrechten eine Grundvoraussetzung. Die chinesische Einschätzung der Menschenrechte ist ziemlich paradox. China widersetzt sich den Grundprinzipien der Menschenrechte, um Arbeitslager aufrecht zu erhalten, die Rechte von Dissidenten zu beschneiden und die Bestrebungen der Völker Ost-Turkestans und Tibets zu missachten.

Abschließend bitte ich daher die UN-Menschenrechtskommission folgende Punkte in eine Resolution aufzunehmen, welche China auffordert:

  • die so genannte Anti-Kriminalitäts-Kampagne „Hartes Durchgreifen“, die darauf abzielt, die gesamte muslimische uigurische Bevölkerung  zu terrorisieren, einzustellen.
  • die gängige Praxis der Todesurteile gegen politische Gegner und religiöse Minderheiten zu beenden.
  • alle aus politischen und religiösen Gründen Inhaftierte freizulassen.
  • die Bewahrung der kulturellen, religiösen und nationalen uigurischen Identität zu garantieren.
  • die Menschenrechte der Uiguren zu garantieren und ihren Wunsch in Würde zu leben zu respektieren.

Erkin Alptekin

Präsident des Weltkongresses der Uighuren