EU fordert internationalen Zugang zu Uiguren-Provinz

EU fordert internationalen Zugang zu Uiguren-Provinz

Welt, 27.11.2019

Christoph B. Schiltz – Nach der Enthüllung interner Dokumente über die chinesischen Umerziehungslager für die muslimischen Uiguren nimmt sich nun auch die EU des Themas an. Die neue Kommissionspräsidentin will an ihrem ersten Arbeitstag mit den Herrschern in Peking telefonieren.

Nach dem Bekanntwerden geheimer Regierungsdokumente über die systematische Unterdrückung, massenhafte Internierung und Überwachung von Uiguren im Nordwesten Chinas will sich jetzt auch die Europäische Union einschalten. Nach WELT-Informationen plant EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an ihrem ersten Arbeitstag, dem 1. Dezember, ein Telefongespräch mit der chinesischen Staatsführung.

In Planung ist auch ein Besuch von Chinas Außenminister Wang Yi Mitte Dezember (16./17.12) in Brüssel. Zudem sind die Botschafter, die die EU-Mitgliedstaaten in Peking vertreten, bereits eingeladen worden, zu Beginn des Jahres 2020 die Provinz Xinjiang, wo die muslimische Minderheit der Uiguren vor allem lebt, zu besuchen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, David McAllister (CDU) kündigte unterdessen an, dass „das Europäische Parlament in der nächsten Plenarsitzung vom 16. bis 19. Dezember die Situation der Uiguren diskutieren wird“.

McAllister forderte auch, dass die EU-Außenminister bei ihrem nächsten Treffen am 9. Dezember die Situation der Uiguren auf die Tagesordnung setzen sollten. „Um die Umstände vor Ort umfassend bewerten zu können, muss Vertretern der Vereinten Nationen unverzüglich ungehinderter Zugang zu der chinesischen Provinz Xinjiang gewährt werden“, sagte der Ausschusschef weiter.

Schätzungsweise zehn Millionen Uiguren leben in China. Sie sind ethnisch mit den Türken verwandt und fühlen sich von den herrschenden Han-Chinesen wirtschaftlich, politisch und kulturell unterdrückt. Die Regierung in Peking wirft uigurischen Gruppen Separatismus und Terrorismus vor.

Das Vorgehen gegen die Volksgruppe hat sich unter Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping deutlich verschärft. Für die Europäer ist das Thema der Menschenrechte in China extrem heikel. Erstens gibt es enge wirtschaftliche Verflechtungen mit dem Land und zweitens sind die EU-Staaten unterschiedlich stark abhängig von China, was eine einheitliche Haltung und einstimmige Sanktionsmaßnahmen gegen einzelne Repräsentanten der politischen Führung Chinas äußerst unwahrscheinlich erscheinen lässt.

In einem Strategiepapier vom März erklärt die EU-Kommission China erstmalig zum „Systemrivalen“ und „wirtschaftlichen Wettbewerber“. Der künftige Umgang mit China müsse „pragmatisch“ und „flexibel“ sein, heißt es im Papier, wobei es auch um eine „prinzipielle Verteidigung von Interessen und Werten“ gehe.

Mit der Agenda, die von den Mitgliedstaaten abgesegnet wurde, verpflichtet sich die EU zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit China, „um gemeinsam Verantwortung zu erfüllen im Bereich der drei Pfeiler der Vereinten Nationen, Menschenrechte, Frieden und Sicherheit und Entwicklung“.

China ist der zweitgrößte Handelspartner der EU. Im Jahr 2017 exportierte die EU Waren und Dienstleistungen im Wert von nahezu 200 Milliarden Euro, während die Importe sogar 375 Milliarden Euro umfassten.

Die wirtschaftliche Verflechtung beider Seiten wird immer enger. VW hat ein Werk in der Uiguren-Provinz Xinjiang. Elf EU-Staaten sind Teil des chinesischen Seidenstraßenprojekts, das Asien und Europa durch den Bau von Infrastruktur verbinden soll.

So baut ein von der chinesischen China Road and Bridge Corporation geführtes Konsortium das teuerste Infrastrukturobjekt in der Geschichte Kroatiens: die Peljesac-Brücke im Süden des Landes. Die Kosten betragen 500 Millionen Euro, davon fließen 357 Millionen aus EU-Töpfen. Verkehrte Welt: Der europäische Steuerzahler finanziert maßgeblich ein chinesisches Staatsunternehmen.

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