EU ahndet Menschenrechtsverstöße weltweit

EU ahndet Menschenrechtsverstöße weltweit

DW, 07.12.2020

Unten ein Artikel der DW, photo Reuters.

Die Europäische Union will den Mechanismus für Sanktionen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen vereinfachen. Die EU-Außenminister beschlossen am Montag in Brüssel bei einer persönlichen Sitzung einstimmig, ein neues globales „Menschenrechtsregime“, mit dem Menschenrechtsverletzungen gegen jedermann weltweit geahndet werden können.  

Wer für Folter, Menschenhandel oder für die ausbleibende Ahndung von Menschenrechtsverstößen verantwortlich sei, „der soll künftig nicht mehr sorgenlos in Europa  shoppen gehen können“, sagt Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD), der zurzeit dem Ministerrat der EU vorsitzt. Bislang waren die Sanktionen der EU meist an konkrete Krisen und Staaten wie etwa Russland oder Belarus gebunden. In Zukunft sollen Strafmaßnahmen wie das Einfrieren von Konten oder Reiseverbote gegen Einzelpersonen, Firmen oder Organisationen unabhängig vom Ort weltweit erfolgen können.

Schneller und wirksamer

Der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, verspricht sich mehr Geschwindigkeit und Flexibilität bei der Verhängung von Sanktionen. Er sagte in Brüssel, dies sei ein „wichtiger Schritt“ im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen, der auch die Kompetenzen der einzelnen EU-Institutionen klarer fasse.

Nach Einschätzung des Vize-Präsidenten der EU, Valdis Dombrovskis, habe die EU jetzt mehr Möglichkeiten auf Menschenrechtsverstöße zu reagieren und eine „Null-Toleranz“-Politik zu verfolgen. Dombrovskis verspricht sich auch eine abschreckende Wirkung der neuen Regelung.

Ganz so schlagkräftig, wie sich das Europäische Parlament in zwei Resolutionen das neue Sanktions-Regime gewünscht hat, fällt es allerdings nicht aus. Auch weiterhin müssen alle 27 Mitgliedsstaaten einstimmig entscheiden. Auf die vom Parlament und der EU-Kommission geforderten Mehrheitsentscheidungen wollten sich einige Mitgliedsstaaten nicht einlassen.

Die größte Fraktion im Parlament, die Christdemokraten unter Führung von Manfred Weber (CSU), bemängelten nach dem Beschluss der Außenminister, dass Korruption nicht in die Liste der zu sanktionierenden Taten aufgenommen wurde. In diesen schwierigen Zeiten, meinte die christdemokratische Europaabgeordnete Sandra Kalniete, sei es wichtig, dass die EU ein Bollwerk für die Verteidigung von Demokratie und Freiheit bleibe.

„Darum ist es entscheidend, dass wir wirksame Werkzeuge haben, um diejenigen, die Menschenrechte verletzen, zu sanktionieren. Wir haben es immer wieder laut und klar von unseren Freunden in Russland und Belarus gehört, das nur individuelle, zielgerichtete Strafmaßnahmen geeignet sind, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen“, so Kalniete in Brüssel.

Ob es nach dem heutigen  Beschluss der Außenminister bald einen Schwung von frischen Sanktionen in aller Welt geben wird, blieb zunächst offen. EU-Diplomaten gehen davon aus, dass im ersten Quartal 2021 die ersten Entscheidungen fallen werden.

Zwei Versuchsballons wurden heute schon gestartet. Der Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn, schlug vor, Mitglieder der türkischen Justiz mit Sanktionen zu belegen, weil sie willkürliche Verhaftungen von Menschenrechts-Aktivisten zuließen. Der grüne Europa-Abgeordnete Reinhard Bütikofer möchte mit den Instrumenten gegen den kommunistischen Parteichef Chen Quango in der chinesischen Provinz Xinjiang vorgehen. Dieser soll für die brutale Unterdrückung der Uiguren-Minderheit verantwortlich sein.

„Ein Instrument ist immer nur so viel wert, wie es die Bereitschaft gibt, es zu nutzen. Wann wird das neue Menschenrechtsinstrument tatsächlich eingesetzt werden? Die Antwort muss heißen: am besten gleich“, erklärte Bütikofer in Brüssel. Allerdings gibt es gegen Sanktionen, die auf den NATO-Verbündeten Türkei oder das wirtschaftlich wichtige China zielen, im Kreise der Außenminister immer wieder Bedenken und Vorbehalte.

Modell Magnitzky

Vorbild für die neuen EU-Regeln ist der „Magnitzky-act“ aus den USA, der 2012 verabschiedet wurde und auf die Verantwortlichen für den Tod des russischen Informanten Sergey Magnitsky zielt, der 2009 erhebliche Korruption in Russland aufdeckte. 2016 wurde das Gesetz zum „globalen Magnitzky act“ ausgeweitet und kann seither gegen Menschenrechtsverletzungen, politische Morde, Sklaverei und andere Delikte weltweit eingesetzt werden.

Kanada, Großbritannien und die drei baltischen Staaten haben bereits eigene „Magnitzky-Gesetze“ beschlossen. Die EU brauchte etwas länger für diesen Schritt. Das neue Sanktions-Verfahren soll zunächst für drei Jahre gelten und muss dann verlängert werden.