Die USA bezeichnen Chinas Uiguren-Politik als Genozid

Die USA bezeichnen Chinas Uiguren-Politik als Genozid

NZZ, 19.01.2021

Unten ein Artikel aus dem NZZ, Foto Reuters.

Der amerikanische Aussenminister Mike Pompeo hat die letzten Tage seiner Amtszeit dazu genutzt, mit Entscheiden und Erklärungen den Spielraum der neuen Regierung Biden in die gewünschte Richtung zu lenken. Auffällig oft richteten sich die Aktionen des Aussenministeriums gegen China und Iran. Am Dienstag holte Pompeo zum bisher härtesten Schlag aus und bezeichnete die Politik des kommunistischen Regimes in Peking gegenüber den Uiguren und anderen ethnischen und religiösen Minderheiten in der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Genozid.

Auch Biden sprach von Völkermord

Der Schritt, rund 24 Stunden bevor die neue Regierung Biden das Zepter übernimmt, löste wie andere in letzter Minute getroffene Massnahmen zunächst keine Reaktion von Bidens Mitarbeitern aus. Allerdings hatte der Wahlkampfstab der Demokraten im August noch unterstrichen, auch der künftige Präsident betrachte die Behandlung der Uiguren durch Peking als Völkermord. Damals waren schon Gerüchte aufgetaucht, die Regierung Trump könne eine solche Deklaration abgeben, und das Biden-Team wollte wohl sicherstellen, dass ihm das Weisse Haus oder das Aussenministerium kein Appeasement Chinas vorwerfen konnte. Trump hatte Biden im Wahlkampf verschiedentlich als «schwach gegenüber China» kritisiert.

Auch der Kongress hat mit parteiübergreifenden Mehrheiten die Regierung seit Jahren gedrängt, aggressiver gegenüber den Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang aufzutreten. In einem kürzlich erschienenen Bericht einer speziellen Untersuchungskommission war darauf hingewiesen worden, es gebe Beweise dafür, dass es in der Provinz beim chinesischen Vorgehen zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und möglicherweise zu Genozid gekommen sei. Die Kommission wiederholte eine Forderung aus einem Budgetgesetz im Dezember, wonach die amerikanische Regierung innert 90 Tagen feststellen müsse, ob Chinas Regime in Xinjiang Greueltaten verrichte.

Das State Department begründet seine Erklärung damit, dass die kommunistische Regierung mindestens seit dem Frühling 2017 ihre Repressionspolitik gegenüber Uiguren und anderen Minderheiten verstärkt habe. Dazu gehörten unter anderem Lager für Zwangsarbeit und unfreiwillige Geburtenkontrolle durch Sterilisation. Die Behörden seien daran, eine zwangsweise Assimilation durchzuführen, an deren Ende die Auslöschung einer verletzlichen ethnischen und religiösen Minderheit stehe.

Bereits Ärger wegen Taiwan

China dürfte auf die amerikanische Erklärung mit gewohnter Dünnhäutigkeit reagieren. Pompeo hatte die Führung in Peking bereits erzürnt, als er eine Regulierung aufhob, die direkte Kontakte zwischen taiwanischen und amerikanischen Regierungsvertretern untersagte. Kelly Craft, die amerikanische Uno-Botschafterin, hatte daraufhin mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen per Telefonkonferenz gesprochen. Ein ursprünglich geplanter dreitägiger persönlicher Besuch Crafts in Taipeh wurde allerdings nach der Stürmung des Capitols am Dreikönigstag abgesagt.