Zivilgesellschaft fordert dringende Maßnahmen zum Schutz der von Abschiebung bedrohten Uigur:innen
Keine Rückkehr ist für Uigur:innen sicher!
17. Juni 2022
Am Weltflüchtlingstag 2022 rufen 22 Flüchtlings- und Menschenrechtsgruppen sowie 50 uigurische Organisationen Regierungen und internationale Organisationen dazu auf, dringend Maßnahmen zum Schutz von Uigur:innen und anderen Turkvölkern zu ergreifen, die unmittelbar von der Abschiebung bedroht sind.
Während in der uigurischen Region Chinas Gräueltaten wie Masseninhaftierungen, Zwangsarbeit und Folter begangen werden, sind Uigur:innen außerhalb Chinas, darunter auch Menschenrechtsaktivisten, ständigen Hindernissen beim Erhalt internationalen Schutzes und der Gefahr der Abschiebung ausgesetzt.
Es wird zunehmend anerkannt, dass Uigur:innen in ihrer Herkunftsregion als besondere Gruppe verfolgt werden, doch über die transnationalen Repressionen, denen sie in der Diaspora ausgesetzt sind, ist wenig bekannt. Uigur:innen, die sich nicht fest in Drittländern niedergelassen haben, sind einem außergewöhnlichen Risiko der Inhaftierung und Abschiebung ausgesetzt. Viele von ihnen wurden von den örtlichen Behörden schikaniert und eingeschüchtert, oft auf Ersuchen der chinesischen Behörden, und in einigen Fällen wurden sie über einen längeren Zeitraum inhaftiert.
Während der Zugang zu internationalen Schutzmechanismen wie dem UNHCR nach wie vor begrenzt ist, wirkt die länderübergreifende Repression abschreckend auf Menschenrechtsaktivist:innen und stellt eine praktische Bedrohung für die Ausübung individueller Rechte dar, darunter das Recht auf Schutz vor Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung.
Um Uigur:innen und anderen gefährdeten Turkvölkern angemessenen Schutz zu bieten, sollten unverzüglich folgende Maßnahmen ergriffen werden. Wichtig ist, dass der Zugang zum Schutz nicht durch fehlende Dokumente behindert wird. Unsere Organisationen rufen daher dazu auf:
- Regierungen sollen proaktive Umsiedlungsprogramme durchführen, wenn die Gefahr einer Zurückführung besteht, und auf Notfälle drohender Abschiebungen achten.
- Regierungen sollen Ersuche zur strafrechtlichen Zusammenarbeit gegen Uigur:innen, die sie dem Risiko der Abschiebung aussetzen, ablehnen und sicherstellen, dass Uigur:innen und andere Turkvölker wirksam gegen den Missbrauch internationaler Datenbanken und Ausschreibungen durch die chinesischen Behörden geschützt werden;
- Parlamentarische Ausschüsse, die Anträge verabschieden haben, in denen Menschenrechtsverletzungen gegenüber dem uigurischen Volk und anderen Turkvölkern angeprangert werden, sollen Untersuchungen über die grenzüberschreitende Unterdrückung einleiten und Organisationen der Zivilgesellschaft in diesen Prozess einbeziehen; und
- das UNHCR auffordern, die Registrierung von Uigur:innen, die internationalen Schutzes bedürfen, fortzusetzen, auch inhaftierte Uigur:innen zu registrieren und eine Empfehlung zur Nichtrückkehr für China in Bezug auf systematisch verfolgte Gruppen wie Uigur:innen und andere Turkvölker abzugeben.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten sind Uigur:innen, die außerhalb Chinas leben, mit den Bemühungen der chinesischen Behörden konfrontiert, ausländische Regierungen unter Druck zu setzen, um sie zu inhaftieren und zwangsweise nach China zurückzuschicken. Untersuchungen zeigen, dass mehr als 1.500 Uigur:innen, darunter viele Menschenrechtsaktivist:innen, inhaftiert oder zwangsweise nach China zurückgeführt wurden, wo viele von ihnen inhaftiert und gefoltert wurden. Seit 2016 hat die chinesische Regierung die Repressionen verschärft und eine Politik der willkürliche Masseninhaftierung von Uigur:innen und anderen Turkvölkern durchgeführt. Die chinesische Regierung veranlasste zudem strenge Maßnahmen wie das Verbot der meisten religiösen, sprachlichen und kulturellen Praktiken, staatlich geförderte Zwangsarbeit, Inhaftierungen sowie Zwangssterilisationen und Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten.
Uigur:innen werden aufgrund ihrer ethnischen Herkunft und religiösen Zugehörigkeit ins Visier genommen, aber Festnahmen und Inhaftierungen beruhen in vielen Fällen auch auf Verbindungen außerhalb Chinas. Uigur:innen, die im Ausland gearbeitet oder studiert haben, und sogar diejenigen, die mit Familienangehörigen oder Freunden im Ausland in Kontakt standen, wurden gezielt festgenommen und inhaftiert. Es ist allgemein bekannt, dass alle Uigur:innen und Turkvölker, die gewaltsam nach China zurückgeschickt werden, einem ernsthaften Verfolgungsrisiko ausgesetzt sind. Der Grundsatz der Nichtzurückweisung, der für alle Staaten unabhängig von der Ratifizierung der Flüchtlingskonvention verbindlich ist, legt fest, dass niemand in ein Land zurückgeschickt werden darf, in dem die reale Gefahr von Verfolgung, Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder einer anderen Menschenrechtsverletzung besteht.
Am Weltflüchtlingstag erinnern wir daran, dass die Flüchtlingskonvention von 1951, die bis heute von 149 Staaten unterzeichnet wurde, als Reaktion auf die Zwangsvertreibungen und Deportationen während des Zweiten Weltkriegs verfasst wurde. Die internationale Gemeinschaft muss diesen Grundsätzen gerecht werden und ihrer Pflicht zum Schutz der Uigur:innen nachkommen, die in ihrer Heimat von massiven Gräueltaten bedroht sind. Für Uigur:innen gibt es keine sichere Rückkehr. Sofortige Schritte sind dringend erforderlich, um ihren Schutz zu gewährleisten.
Unterzeichner:
- Alberta Uyghur Association
- AMERA International
- Asia Pacific Refugee Rights Network (APRRN)
- Asian Parliamentarians for Human Rights
- Australian East Turkestan Association
- Australian Uyghur Association
- Australian Uyghur Tangritagh Women’s Association
- Austria Uyghur Association
- Belgium Uyghur Association
- Boat People SOS
- Campaign for Uyghurs
- The Center for Uyghur Studies
- The Center for Victims of Torture
- Church World Service (CWS)
- Committee for Religious Freedom in Vietnam
- Dutch Uyghur Human Rights Foundation
- East Turkestan Union of Muslim Scholars
- East Turkistan Nuzugum Culture and Family Association
- European East Turkistan Education Association
- European Uyghur Institute
- East Turkistan Association of Canada
- East Turkistan Union in Europe
- Eastern Turkistan Foundation
- Fair Trials
- Finnish Uyghur Culture Center
- Global Center for the Responsibility to Protect
- Global Legal Action Network (GLAN)
- HIAS
- ILPA (Immigration Law Practitioners‘ Association)
- International Pen Uyghur Center
- International Refugee Assistance Project (IRAP)
- International Union of East Turkistan Organizations
- Isa Yusup Alptekin Foundation
- Japan Uyghur Association
- Jubilee Campaign USA
- Lawyers for Uyghur Rights
- MENA Rights Group
- Montreal Institute for Genocide and Human Rights Studies (MIGS)
- Norwegian Uyghur Committee
- Refugee Congress
- Refugees International
- RefugePoint
- René Cassin
- Safeguard Defenders
- Satuq Bugrakhan Foundation of Science and Civilization
- Society Union of Uyghur National Association
- Stop Uyghur Genocide
- Sweden Uyghur Union
- Swiss Uyghur Association
- Uighur Society of the Kyrgyz Republic
- Unrepresented Nations and Peoples Organisation
- Uyghur American Association
- Uyghur Academy Australia
- Uyghur Academy Canada
- Uyghur Academy Europe
- Uyghur Academy Foundation
- Uyghur Academy Japan
- Uyghur Academy USA
- Uyghur Center for Human Rights and Democracy
- Uyghur Cultural and Education Union in Germany
- Uyghur Human Rights Project
- Uyghur Projects Foundation
- Uyghur Refugee Relief Fund
- Uyghur Research Institute
- Uyghur Rights Advocacy Project
- Uyghur U.K. Association
- Uyghur Youth Union in Kazakhstan
- Victoria Uyghur Association
- World Uyghur Congress
- World Uyghur Congress Foundation
Weitere Quellen zur transnationalen Unterdrückung:
Beyond Silence: Collaboration Between Arab States and China in the Transnational Repression of Uyghurs, Uyghur Human Rights Project (2022)
“Your Family Will Suffer”: How China is Hacking, Surveilling, and Intimidating Uyghurs in Liberal Democracies, Uyghur Human Rights Project and Oxus Society for Central Asian Affairs (2022)
Involuntary Returns – report exposes long-arm policing overseas, Safeguard Defenders (2022)
Returned Without Rights, State of Extraditions to China, Safeguard Defenders (2022)
Hide and seek: China’s extradition problem. A manual to counter extradition to China, Safeguard Defenders (2022)
Refugee Espionage: An EU Model, Unrepresented Nations and Peoples Organisation, (February 28, 2022)
Saudi Arabia: UN experts say Uyghurs must not be extradited to China, urge proper risk assessment, Office of the High Commissioner for Human Rights (April 1, 2022)
China’s long arm: how Uyghurs are being silenced in Europe, Index On Censorship (2022)
Compromised Space: Foreign State Reprisals against Unrepresented Diplomats in Europe, Unrepresented Nations and Peoples Organisation (April 2021)
Morocco: UN experts say extradition of Uyghur asylum seeker to China violates principle of non-refoulement, Office of the High Commissioner for Human Rights (December 16, 2021)
“They Sent Her to a Concentration Camp Because She Came to Turkey”: The Persecution of Uyghurs Based on their Turkic and Muslim Identity, Uyghur Human Rights Project (2021)
“Nets Cast from the Earth to the Sky”: China’s Hunt for Pakistan’s Uyghurs, Uyghur Human Rights Project and Oxus Society for Central Asian Affairs (2021)
No Space Left to Run: China’s Transnational Repression of Uyghurs, Uyghur Human Rights Project and Oxus Society for Central Asian Affairs (2021)
The Nightmare of Uyghur Families Separated by Repression, Amnesty International (2021)
“Break Their Lineage, Break Their Roots”: China’s Crimes against Humanity Targeting Uyghurs and Other Turkic Muslims, Human Rights Watch (2021)
Chinese authorities accused of intimidating Uyghurs in Australia, ABC News, March 30, 2019
Compromised Space: Bullying and Blocking at the UN Human Rights Mechanisms, Unrepresented Nations and Peoples Organisation (July 2019)