Zeichen gegen Unterdrückung

Zeichen gegen Unterdrückung

Sueddeutsche Zeitung, 13.07.2021

Unten ein Artikel von Sueddeutsche Zeitung, Foto Claus Schunk.

Das Schicksal der Uiguren ist in Deutschland vielen Menschen so fern wie der Siedlungsschwerpunkt des Volksstammes im ehemaligen Turkestan. Und erst recht dürften nur wenige Siebtklässler Interesse und Zeit dafür haben, sich mit der Verfolgung und Unterdrückung der Uiguren in China und den dortigen Umerziehungslagern zu beschäftigen. Die Klasse 7a am Gymnasium Ottobrunn ist da anders. Die Buben und Mädchen haben eine Projektwoche organisiert, um über die Situation der Minderheit in China aufzuklären. Die Ergebnisse sind auf Infotafeln in der Aula des Gymnasiums ausgestellt und können noch bis diesen Mittwoch betrachtet werden.

„Die Uiguren sind eine chinesische Minderheit, die von der Regierung unter-drückt wird“, erklärt Felicia Noubibou-Doudieu, eine der Siebtklässlerinnen. „Teilweise werden sie in Umerziehungslagern gefangen gehalten. Sie werden da gefoltert, vergewaltigt und zwangssterilisiert. Und das alles nur, weil sie an den Islam glauben und die Regierung das nicht duldet.“ Leni Jongen, eine andere Schülerin, beschreibt die Situation weiter: „In den Lagern gibt es nur sieben Quadratmeter für 14 Leute, sodass sie sich mit dem Schlafen abwechseln müssen und übermüdet sind.“

Die Schüler ergänzen ihre Schilderungen gegenseitig, jeder kennt sich mit dem Thema bestens aus. „Die Uiguren werden zum Essen von Schweinefleisch gezwungen, das im Islam als unrein gilt. Da frage ich mich, warum eine Regierung Fleisch kauft, nur damit es den Uiguren schlecht geht“, sagt Veronika Bayer. Den Schülern sind bei ihren Schilderungen der Lebensumstände die Empörung und der Schock über den Umgang mit den Menschen durch die chinesische Staatsführung deutlich anzumerken.

Ausgangspunkt des Projekts war ein Artikel über die Verfolgung der Uiguren, den eine der Schülerinnen im Internet gelesen hatte. „Ich war mir erst nicht sicher, ob das Fake News sind“, erzählt Clara Frey. Da-her habe sie sich zunächst an ihre Eltern gewandt, die ihr bestätigten, dass der Artikel die Wahrheit schildert. „Es hat mich sehr schockiert“, sagt Clara ihren ersten Kontakt mit dem Thema. Sie informierte sich weiter und machte im Klassenchat ihre Mitschüler auf das Thema aufmerksam. Die Klasse teilte Claras Gefühl und war sich schnell einig: Sie wollten etwas unternehmen.

„Es ging alles von den Schülern aus“, er-zählt die betreuende Lehrerin Cäcilia Spinner-Stockinger. Der Lehrplan lasse in solchen Fällen Raum für Sonderthemen. „Wenn in einer Klasse ein solches Engagement besteht, wäre es eine Ohrfeige zu sagen, das Thema behandeln wir nicht“, sagt Spinner-Stockinger. Soziales Engagement sei schließlich auch ein erzieherisches Ziel. Im Religionsunterricht wurden daraufhin in Gruppen verschiedene Aspekte des Themas bearbeitet und Infowände gestaltet, die in der Aula aufgestellt wurden. „Es fängt an beim Staat China und wie sich die Geschichte entwickelt hat, damit man die Hintergründe versteht, bis hin zur Frage, was in den Umerziehungslagern geschieht“, stellt Clara den Aufbau der Ausstellung vor. Auch die Kultur der Uiguren haben die Schüler behandelt: Auf den Tafeln sind Märchen und Rezepte des Volkes zu lesen.

Mit der Ausstellung ist das Thema für die Schüler keineswegs abgeschlossen. Sie erzählen auch in den anderen Klassen von den Uiguren. „Wir möchten Leute informieren, damit sie nicht wegschauen. Je mehr Leute es wissen, desto mehr Protest wird dagegen erhoben“, ist Felicia überzeugt. Kommende Woche hat die Klasse einen Videocall mit Kuerban Haiyuer, dem Präsident des Jugendausschusses des Weltkongresses der Uiguren. Er ist aus China geflüchtet und wird mit der Klasse das Thema weiter vertiefen. Für die Buben und Mädchen der 7a am Ottobrunner Gymnasium ist es nicht mehr fremd und fern. Und durch ihre Arbeit auch für weniger Erwachsene.