Offener Brief an die Bundesregierung: Erste deutsch-chinesische Regierungskonsultationen am 27. und 28. Juni 2011: Menschenrechtslage in der Volksrepublik China muss ein zentrales Thema sein!

Offener Brief an die Bundesregierung: Erste deutsch-chinesische Regierungskonsultationen am 27. und 28. Juni 2011: Menschenrechtslage in der Volksrepublik China muss ein zentrales Thema sein!

24. Juni 2011

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

am 27. und 28. Juni 2011 finden in Berlin die ersten offiziellen deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen unter Teilnahme des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao statt. Wir, die unterzeichnenden Organisationen, fordern, dass die sich zuletzt stark verschlechternde Menschenrechtslage in der Volksrepublik China von der Bundesregierung und der chinesischen Regierung im Rahmen dieser hochrangigen Regierungsgespräche öffentlich sichtbar und als ein zentrales Thema erörtert wird. Wir weisen mit Nachdruck darauf hin, dass von den bevorstehenden Konsultationen, mit denen offenbar eine neue Phase der deutsch-chinesischen Beziehungen eingeleitet werden soll, ein fatales Signal für den Schutz der Menschenrechte in der Volksrepublik China ausginge, wenn die Frage der Menschenrechte ausgeklammert bliebe oder lediglich pro forma thematisiert würde. Auch der Verweis auf fachspezifische Foren wie den deutsch-chinesischen Rechts-und Menschenrechtsdialog reicht nicht aus – Menschenrechte müssen zentrales Element der deutsch-chinesischen Beziehungen sein!

In der Volksrepublik China werden fundamentale und universell gültige Menschenrechte systematisch verletzt. Wir weisen Sie aus aktuellem Anlass insbesondere auf folgendes hin:

Intensivierte Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern, wie etwa des Rechtsanwalts Teng Biao; starke Zunahme von Repressionen gegen Regime-Kritiker, wie den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo. Die Freilassung des Künstlers Ai Weiwei auf Kaution ist zwar ein positiver Schritt, stellt aber keine Verbesserung der Menschenrechtslage in China dar. Vielmehr zeigt seine lange Inhaftierung ohne Anklage wie wenig –trotz aller Reformen –das chinesische Recht die Rechte des Einzelnen schützt;

  • Systematische Einschränkung der Meinungsfreiheit, rigorose Zensur der Medien und des Internets; Verfolgung von Journalisten, Schriftstellern, Internetbloggern und Twitter-Nutzern, wie beispielsweise im Zusammenhang mit der „Jasmin-Revolution“;
  • Umfassende Beschränkungen der Religionsfreiheit, etwa durch Ausweitung der „patriotischen Erziehung“ und „Verschwindenlassen“ von Geistlichen, wie zuletzt im tibetischen Kloster Kirti;
  • Systematische Diskriminierung und anhaltende Verfolgung von Angehörigen ethnischer Minderheiten, insbesondere der Tibeter, Mongolen und Uiguren. Wir erinnern an zahlreiche Einzelfälle, wie etwa den zu lebenslanger Haft verurteilten Uiguren Memetjan Abdulla.
  • Wir, die unterzeichnenden Organisationen, fordern, dass die Menschenrechte als zentraler Bestandteil der deutsch-chinesischen Beziehungen in allen hochrangigen Regierungsgesprächen thematisiert werden. Nur so ist Menschenrechtspolitik glaubwürdig!

Amnesty International
International Campaign for Tibet
Reporter ohne Grenzen
Weltkongress der Uiguren

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