Huawei ist eine Gefahr für die Sicherheit

Huawei ist eine Gefahr für die Sicherheit

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.06.2019

Daniel Kliman & Christine Lee – Deutschland hat in seinem Umgang mit Chinas Technologiebranche im Zuge des Handelsstreits vieles richtig gemacht. Jetzt wäre der falsche Zeitpunkt diese Linie aufzuweichen.

Mit der jüngsten Entscheidung der Trump-Regierung, Huawei Geschäftstätigkeiten in den Vereinigten Staaten zu untersagen und das Unternehmen auf eine schwarze Liste für Exporte zu setzen, hat Washington den Wettbewerb mit Peking drastisch verschärft. Dass die Vereinigten Staaten damit eine Ära des Dialogs beenden, verändert auch die Beziehungen Deutschlands zu China grundlegend.

Bis vor kurzem pflegten Berlin und Peking eine enge, durch ein wachsendes Handels- und Investitionsvolumen geprägte Verbindung. Was sich bis vor einigen Jahren noch zu einer „besonderen Beziehung“ zwischen beiden Ländern zu entwickeln schien, nimmt mittlerweile eine andere Färbung an, da Deutschland zunehmend alarmiert ist über die Herausforderung, die China für den Zusammenhalt, den Wohlstand und die Werte Europas darstellt.

Die Bedenken Berlins gegenüber China sind durchaus begründet. Peking versucht, die China-Politik Europas zu spalten. Durch den 16+1-Gipfel zwischen China, Mittel- und Osteuropa, die Beeinflussung von Netzwerken durch nicht mehr aktive europäische Politiker und gezielte Investitionen hat Peking Kritik an seiner Menschenrechtspolitik in internationalen Foren einen Riegel vorgeschoben. Und es hat die Möglichkeit Europas ausgebremst, einen einheitlichen Ansatz für sein Wirtschaftssystem unter dem Mantel von „One Belt, One Road“ zu erarbeiten.

Bedachtes Vorgehen im Umgang mit China

Zudem versucht China, von Europa die Technologien zu erhalten, die ihm in Zukunft einen weltwirtschaftlichen Vorteil verschaffen. Als führende Industrienation Europas hat sich Deutschland zum Hauptziel chinesischer Investitionen in strategische Industriesektoren entwickelt. Was Peking hier nicht kaufen kann, eignet es sich mit Gewalt an oder stiehlt es gar. Die Fälle von erzwungenem Technologietransfer bei europäischen Unternehmen, die in China tätig sind, haben sich laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage verdoppelt. Europa gehört zu den Zielen von Pekings globaler Kampagne für cybergestützte Wirtschaftsspionage.

Sowohl innerhalb als auch außerhalb seiner digitalen Grenzen hat Peking die Zensur intensiviert. Außerdem hat China Fortschritte bei Künstlicher Intelligenz und Data Mining genutzt, um ein leistungsfähiges inländisches Überwachungssystem zu entwickeln, das es auch exportiert. Und nicht zuletzt hat Peking die Technologie des 21. Jahrhunderts mit der Repressionstaktik des 20. Jahrhunderts kombiniert und mehr als eine Million Uiguren in Gefangenenlagern untergebracht.

Man muss Deutschland zugutehalten, dass es bei der Formulierung einer Antwort auf die Herausforderung durch China sehr bedacht vorgegangen ist und gleichzeitig einen besser koordinierten europäischen Ansatz vorangetrieben hat. Nach dem Beschluss der Bundesregierung, den Erwerb von Beteiligungen an deutschen Unternehmen durch chinesische Investoren zu blockieren, hat die EU im Februar Regeln zur Verhinderung solcher ausländischer Investitionen erlassen, die die nationale Sicherheit gefährden.

Das deutsch-amerikanische Verhältnis

Darüber hinaus bemüht sich Deutschland um eine Stärkung des europäischen Zusammenhalts in der China-Politik. In einem ersten Schritt hat Berlin Regierungschefs aus allen EU-Mitgliedstaaten zum EU-China-Gipfel eingeladen, den Deutschland nächstes Jahr veranstaltet. Und schließlich verdankt die Welt ihr Wissen über das, was in den Internierungslagern für Uiguren geschieht, den Enthüllungen eines deutschen Staatsangehörigen. Deutsche Regierungsvertreter gehören zu den schärfsten Kritikern der chinesischen Menschenrechtspolitik, insbesondere in der Autonomen Region Xinjiang.

Amerikanischer Außenminister: Pompeo warnt Deutschland vor 5G-Ausbau mit Huawei
Bild: EPA

Und doch: Während sich amerikanische Führungskräfte, die über Chinas technologische Ambitionen besorgt sind, verstärkt auf 5G-Mobilfunknetze eingeschossen haben, ist Berlin weiter zurückhaltend, wenn es darum geht, hier einen schärferen Ansatz gegenüber Peking zu verfolgen. Im April wies die deutsche Bundesnetzagentur amerikanische Forderungen zurück, die von Huawei hergestellten 5G-Geräte auf dem heimischen Markt zu verbieten.

Dieses Vorgehen ist kurzsichtig. In Zeiten zunehmender transatlantischer Reibungen geht die zunehmende Harmonisierung der deutschen und der amerikanischen China-Politik mit schmerzhaften Kompromissen einher. Trotzdem kann es sich die Bundesregierung nicht leisten, auf eine amerikanische Regierung zu warten, die ihr mehr zusagt. Denn unzureichende Maßnahmen in puncto 5G können allen Seiten teuer zu stehen kommen.

Auch zukünftig eine harte Linie mit China beibehalten

Huawei ein Mitspracherecht in Deutschlands 5G-Zukunft zuzugestehen, würde nicht nur die Telekommunikationssicherheit gefährden, sondern auch die Möglichkeit erhöhen, dass China seine führende Position in diesem kritischen Bereich dauerhaft festigt. Und selbst wenn Berlin Huawei auch ohne formelles Verbot letztlich auf dem heimischen 5G-Markt verbietet, sendet die derzeit ambivalente Haltung ein starkes Signal an kleinere europäische Länder, die Deutschland als Vorreiter der China-Politik betrachten. Ohne einen schärferen deutschen Ansatz zögern Länder wie die Tschechische Republik, aggressiv gegen Huawei vorzugehen.

Die Vereinigten Staaten ihrerseits müssen einen Schritt weiter gehen – von Deutschland zu fordern, Maßnahmen gegen Huawei zu ergreifen, reicht nicht. Washington sollte eine positive Vision einer gemeinsamen transatlantischen 5G-Zukunft bieten. Es könnte beispielsweise ein neues amerikanisches und europäisches Konsortium für den privaten Sektor als Alternative zu Huawei auf beiden Seiten des Atlantiks vorschlagen. Zudem müssen die Vereinigten Staaten unmissverständlich klarstellen, dass ihre jüngsten Schritte gegen Huawei nicht als Druckmittel in Verhandlungen mit China über künftige Wirtschaftsabkommen dienen.

Es ist an der Zeit, dass Deutschland Europa bei einem härteren Umgang mit China anführt. Berlin hat in kürzester Zeit viel erreicht – es wäre mehr als bedauerlich, wenn dies jetzt abrupt enden würde.

Daniel Kliman ist Senior Fellow und Direktor des Sicherheitsprogramms Asien-Pazifik am Center for a New American Security (CNAS). Christine Lee ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am CNAS.

https://www.faz.net/aktuell/politik/deutschlands-rolle-im-handelsstreit-harte-linie-mit-china-16250249.html