China: Stimme für Demokratie Liu Xiaobo stirbt in Haft
HWR , 12 September 2017
The death of the Nobel Prize winner shows Beijing’s cruelty, but his vision continues to show more services
(New York, July 13, 2017) – The death of the Chinese regime critic and intellectual Liu Xiaobo , who won the Nobel Peace Prize in 2010, shows the ruthlessness of the Chinese government against peaceful advocates of human rights and democracy, according to Human Rights Watch. Liu died on July 13, 2017, following the effects of liver cancer at the Shenyang Clinic in Liaoning Province.
Recently, a Nobel Peace Prize laureate died in prison in 1938. Carl von Ossietzky succumbed to the effects of tuberculosis. He died under guard in a hospital in National Socialist Germany.
„Even as his condition worsened, the Chinese government continued to isolate Liu Xiaobo and his family, not allowing him to choose his medical treatment himself,“ said Sophie Richardson , Human Rights Director of China. „The arrogance, cruelty and heartlessness of the Chinese government are frightening. However, the fight for a democratic China in which human rights are respected will continue to live. “
Liu Xiaobo was a declared critic of the Chinese government. The former literature professor, who had taught at Beijing Normal University, wrote about Chinese society and culture, focusing on democracy and human rights. His first book and his first essays, which are known for their sharp criticism and the generally valid thinking questioned, have influenced many intellectuals. Then Liu was arrested. He was imprisoned for 21 months after supporting students in peaceful protests during the Tiananmen Massacre in 1989. From 1996 to 1999, he was a prisoner in a camp that served the so-called „re-education through work“ because he had criticized China’s policy on Taiwan and the spiritual leader of Tibet, the Dalai Lama. In 2008, Liu was again arrested and accused of „inciting to undermine state power“, as he was one of the first signatories to Charter 08, a manifesto calling for political reform in China. In 2009 he was sentenced to 11 years imprisonment. Liu spent nearly eight years in a prison in Liaoning until he was taken to the Shenyang Clinic in late June.
Liu war mit verschiedenen internationalen Preisen ausgezeichnet worden. 2010 verlieh Human Rights Watch Liu den Alison Des Forges-Award für außerordentlichen Einsatz aufgrund seines furchtlosen Kampfes für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in China. Ebenfalls 2010 erhielt er den Friedensnobelpreis für seinen „langen und gewaltlosen Kampf für fundamentale Menschenrechte in China“. Weder Liu noch seine Frau Liu Xia durften an der Zeremonie teilnehmen. Die chinesische Regierung schrieb an alle Diplomaten in Oslo und warnte sie vor „Konsequenzen“, sollten ihre Regierungen Liu Xiaobo unterstützen, den Peking einen „Verbrecher“ nannte.
Es sind nur wenige Einzelheiten über Lius Haftbedingungen bekannt. Die Behörden gestatteten seinen engsten Verwandten, darunter Liu Xia, ihn zu besuchen. Sie wurde jedoch mundtot gemacht, indem man sie unter Hausarrest stellte, wo sie seit 2010 in fast vollständiger Isolation ausharren muss. Andere Familienmitglieder wurden bedroht und eingeschüchtert. Liu Xiaobos Schwager, Liu Hui, wurde 2013 aufgrund von fragwürdigen Betrugsvorwürfen angeklagt, später jedoch auf Kaution freigelassen. Die Behörden sollen unverzüglich und ohne Auflagen Liu Xia freilassen und ihr volle Freizügigkeit gewähren, sodass sie das Land verlassen kann, sollte sie dies wünschen, so Human Rights Watch.
Am 26. Juni informierten Liu Xiaobos Anwälte die Medien darüber, dass Liu „auf Kaution freigelassen wurde, um sich einer medizinischen Behandlung zu unterziehen” und vom Jinzhou Gefängnis in das Klinikum 1 der chinesischen medizinischen Universität ((中国医科大学第一附属医院) in der Provinz Liaoning gebracht wurde, um seine Leberkrebserkrankung im Endstadium behandeln zu lassen. Seitdem veröffentlichten die Behörden vereinzelt Informationen über seinen Gesundheitszustand. Das Krankenhaus veröffentlichte Online-Updates, die staatliche Presse kritisierte ihn und seine Anhänger in Kommentaren. Anonyme Quellen, hinter denen mutmaßlich die Regierung steckte, veröffentlichten zwei Videos, in denen zu sehen ist, wie Liu im Gefängnis medizinisch versorgt wurde und wie sich Liu Xia und Liu Hui bei den Ärzten bedankten. Es ist nicht geklärt, ob sie wussten, dass sie gefilmt wurden und ob sie der Veröffentlichung des Videomaterials zugestimmt hatten.
Liu wurde während seines Krankenhausaufenthalts streng bewacht, sodass es schwierig ist, die Authentizität von offiziell veröffentlichten Informationen zu überprüfen. Er wurde unter einem Pseudonym ins Krankenhaus gebracht. Somit konnten weder Journalisten noch andere seinen Aufenthaltsort herausfinden. Nur Liu Xia und möglicherweise auch Liu Hui durften ihn besuchen. Dabei wurden sie jedoch von der Polizei überwacht, und jeglicher Kontakt zu anderen wurde unterbunden.
Nur einmal gestattete die chinesische Regierung zwei unabhängigen Ärzten, einer aus den USA, der andere aus Deutschland, Liu am 7. Juli zu besuchen. Die Ärzte befanden, Liu sei „reisefähig”, was den Angaben der chinesischen Regierung widersprach. Diese hatte zuvor behauptet, Liu sei zu krank, um für eine Behandlung ins Ausland gebracht zu werden.
Es ist nicht bekannt, ob Liu oder seine Familie jemals Zugang zu Einzelheiten oder den vollständigen Berichten der medizinischen Untersuchungen hatten. Ferner ist unbekannt, ob und inwieweit die Familie in der Angelegenheit hinzugezogen wurde.
Zwar führen Ärzte in China medizinische Behandlungen und Routineuntersuchungen in Haftanstalten und Gefängnissen durch, diese Versorgung ist jedoch bestenfalls als oberflächlich und flüchtig einzustufen. So berichtete Human Rights Watch 2015, dass ehemalige Häftlinge berichteten, sie und ihre Familien seien häufig ignoriert wurden, wenn sie gesundheitliche Beschwerden meldeten. In einigen Fällen starben Haftinsassen nach einer tödlichen Kombination aus fortwährender Vernachlässigung und der Verweigerung medizinischer Versorgung.
Behandlung muss untersucht werden
Internationale Standards sehen vor, dass sämtliche Todesfälle von Häftlingen “unverzüglich, objektiv und effektiv untersucht werden, um die Todesumstände und –ursache zu ermitteln”. Der UN-Sonderberichterstatter zu extralegalen, summarischen und willkürlichen Hinrichtungen merkte an, dass die Regierung hier explizit nachweisen muss, dass sie für die Todesfälle nicht verantwortlich ist. Diese Beweispflicht ergibt sich daraus, dass hier eine Verantwortlichkeit angenommen wird, da es sich um staatliche Haftanstalten handelt und dass die Regierung verpflichtet ist, das Recht auf Leben zu gewährleisten und zu respektieren. Kommt die Regierung der Beweispflicht nicht nach, so muss sie Reparationen an die Hinterbliebenen leisten.
Neben der Pflicht, die Todesfälle zu untersuchen, müssen die Behörden ebenso Maßnahmen ergreifen, um Todesfälle in Haft zu verhindern und effektiv auf die Todesursachen reagieren, indem sie eine angemessene Überwachung und medizinische Versorgung der Haftinsassen gewährleisten. Familienmitglieder sollten Zugang erhalten zu „allen für die Untersuchung relevanten Informationen“. Zudem soll die Regierung die Untersuchungsergebnisse in Form eines schriftlichen Berichts veröffentlichen. In Fällen, in denen „etablierte Ermittlungsverfahren unzureichend sind aufgrund eines Mangels an Expertise oder Objektivität” soll die Regierung „Ermittlungen durch eine unabhängige Untersuchungskommission” einleiten. Gleiches gilt für Fälle, in denen sich Familienmitglieder über derartige Mängel beschweren.
In den vergangenen Jahren haben es die chinesischen Behörden in mindestens zwei weiteren Fällen zugelassen, dass prominente Regierungskritiker im Gefängnis schwer erkrankten und dort oder in einem Krankenhaus starben. Im März 2014 starb Cao Shunli in einem Krankenhaus in Peking, nachdem sie im September 2013 willkürlich festgenommen worden war. Shunli war eine Aktivistin, die versucht hatte, an dem Überprüfungsverfahren zu China im UN-Menschenrechtsrat teilzunehmen. Ihre Familie hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass sie schwer erkrankt war. Die Behörden ließen sie jedoch erst in ein Krankenhaus bringen, nachdem sie ins Koma gefallen war. Im Juli 2015 starb der angesehene tibetische Lama Tenzin Delek Rinpoche im Gefängnis, nachdem monatelang immer schwerer wiegende Vorwürfe erhoben worden waren, dass sich sein Gesundheitszustand dramatisch verschlechtert hatte. Tenzen Delek Rinpoche war nach einem Gerichtsverfahren, das bei weitem nicht internationalen Standards entsprach, wegen „Anstiftung zur Spaltung des Landes“ zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden.
Mehrere Regierungen – darunter die USA, Kanada, Frankreich und Taiwan – haben öffentlich angeboten, Liu aufzunehmen, um ihn zu behandeln. Die Europäische Union und andere Staaten wiederum, wie etwa Großbritannien und Deutschland, haben seine Freilassung gefordert und auf sein Recht auf Behandlung an einem Ort seiner Wahl hingewiesen. Der Hohe Kommissar für Menschenrechte der UN, Seid bin Ra’ad Seid Al-Hussein, traf sich am 30. Juni mit chinesischen Regierungsbeamten, um über den Fall zu sprechen.
„No government should condemn the death of Liu Xiaobo, but condemn Beijing’s mistreatment of this critical human rights activist and urge China to release Liu Xia as well as anyone else wrongfully detained in the country,“ said Richardson. „Governments should send a clear message to Beijing that the principles which Liu Xiaobo had devoted to continue to live after his tragic death.