Allianz hinterfragt Olympia-Sponsoring in China
Frankfurter Allgemeine, 09.12.2021
Unten ein Artikel aus der Frankfurter Allgemeine, Foto DPA.
Als „Wintersportenthusiast“ freue er sich auf die Olympischen Spiele in Peking, sagte der chinesische Starpianist Lang Lang, als er in einem mit „Allianz 1890“ bedruckten Kapuzenpulli im Frühjahr 2020 für den 131 Jahre alten deutschen Versicherungskonzern warb.
Die Allianz ist einer der Top-Sponsoren der Anfang Februar beginnenden Großveranstaltung. Geschätzt 400 Millionen Euro überweisen die Münchner dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), um bis 2028 ihr Logo bei vier Winter- und Sommerspielen präsentieren zu dürfen. Doch beim „Worldwide Olympic Partner“, wie sich die Münchner seit diesem Jahr nennen dürfen, will dieser Tage angesichts der Spiele, über denen wegen des Vorwurfs von Menschenrechtsverletzungen eine dunkle Wolke schwebt, keine Freude aufkommen. Aus dem Konzern ist zu hören, dass es inzwischen Überlegungen gebe, die Werbeaktivitäten rund um Peking deutlich herunterzufahren. Einen offiziellen Kommentar lehnte Allianz dazu ab.
Achtjahres-Vertrag mit IOC
Europas größter Versicherungskonzern hatte im Herbst 2018 einen Achtjahres-Vertrag mit dem IOC geschlossen. „Über die digitalen und sozialen Kanäle des Internationalen Olympischen Komitees können wir mehr Menschen als je zuvor ansprechen und ihnen unsere Expertise anbieten“, sagte Allianz-Chef Oliver Bäte damals. Heute wäre er sicher froh, als IOC-Sponsor möglichst wenig Menschen anzusprechen. „Ausgerechnet jetzt sichtbar zu sein, macht wenig Sinn“, sagte ein Allianz-Manager der F.A.Z.
Die Allianz ist der einzige deutsche Geldgeber aus dem Hauptsponsorenkreis des IOC, dem so namhafte Konzerne wie Coca Cola, Dow Chemical, General Electric, Intel, Panasonic, Procter & Gamble oder auch Visa und Toyota angehören. Doch nun fürchtet die Allianz wegen des zweifelhaften Rufs des IOC negative Abstrahleffekte.
Dass in China „der Olympische Geist die Menschheit vereint“, wie Allianz-Werbeträger Lang Lang gehofft hat, ist zweifelhaft. Angesichts der Unterwerfung Hongkongs, den Menschenrechtsverletzungen in der Provinz Xinjiang und dem mutmaßlichen Arrest der Tennisspielerin Peng Shuai haben die USA einen diplomatischen Boykott der Spiele angekündigt. Diesem schloss sich am Mittwoch Australien an, am Donnerstag dann Großbritannien und Kanada. In Deutschland hat Annalena Baerbock kurz vor Amtsantritt als Außenministerin gedroht, man müsse die Spiele in China angesichts der Menschenrechtsverletzungen „genauer in den Blick nehmen“.
Wenige Wochen vor deren Beginn steuern beteiligte Staaten und Unternehmen auf einen Konflikt zu, der nachhallen könnte. Die USA würden „einen Preis“ für den Boykott zahlen, wütet das Pekinger Außenministerium. Ob Australien Regierungsmitglieder nach Peking schicke oder nicht, sei „ohnehin egal“. Auf die Worte Baerbocks hatte die chinesische Botschaft in Berlin noch vergleichsweise milde reagiert, „einzelne deutsche Politiker“ sollten Chinas „Kerninteressen und Hauptanliegen tatkräftig respektieren“.
Das war wohl ein frommer Wunsch. In den deutschen Regierungsparteien wird die Kritik an den Spielen in Peking immer lauter. Nicola Beer, die stellvertretende Präsidentin des Europäischen Parlamentes, will zwar nicht einzelne Firmen herauspicken, sieht aber die gesamte Wirtschaft in der Pflicht. Es brauche einen Schulterschluss von Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft, um den nötigen Druck auf China auszuüben, sagte die FDP-Politikerin der F.A.Z.: „Auch die Unternehmen müssen Druck aufbauen, da darf man nicht zimperlich sein, damit das in Peking auch ankommt.“
Umsatzverlust droht
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Agnieszka Brugger, fordert einen diplomatischen Boykott. „Es wäre naiv, angesichts der Menschenrechtsverletzungen in China und den konkreten Vorwürfen von Peng Shuai auf politischer Ebene zu den Olympischen Spielen zu reisen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen.“ Und auch aus ihrer Sicht tragen die Unternehmen eine Verantwortung. „Die Sponsoren der Spiele müssen für sich selbst entscheiden, ob sie vor diesem Hintergrund ihren guten Namen und entsprechende Gelder zur Verfügung stellen wollen.“
Dass die Allianz dies auch so sieht, ist fraglich. Zöge sie sich als Sponsor zurück, droht ihr Umsatzverlust. Die Deutschen haben gerade als erster ausländischer Versicherer von Chinas Regierung die Erlaubnis erhalten, ihre Lebensversicherungen auf dem riesigen Markt ohne chinesischen Partner zu verkaufen. Bei den Olympischen Spielen in Peking will die Allianz nicht nur ein „Sports Camp“ anbieten, sondern auch „maßgeschneiderte Versicherungslösungen und Dienste“.
Furcht vor Peking
Bei einem Olympia-Boykott der Bundesregierung herrscht in der deutschen Industrie die Furcht, Peking könne deutsche Anbieter bestrafen. Das kann auch inoffiziell passieren. Es reiche, wenn China deutsche Autobauer im Land von Halbleitern abschneide, heißt es. Bereits jetzt soll es Streit zwischen Volkswagen und einem seiner staatlichen chinesischen Partner um die knappen Chips geben. Im Oktober sank der Absatz eines VW-Gemeinschaftsunternehmens im Jahresvergleich um über 40 Prozent – für die Wolfsburger ein Desaster, die in guten Jahren in China zwei Drittel ihres Gewinns erzielt haben. Das Geld wird für den Umbau zum Elektroautohersteller gebraucht.