5G Mobilfunknetz: Huawei darf keine Option sein
ZEIT ONLINE, 30.10.2019
Matthias Naß – Deutschland sollte sich beim Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes nicht vom chinesischen Konzern abhängig machen. Es gibt vertrauenswürdigere Alternativen in Europa.
Bundeskanzlerin Angela Merkel muss demnächst gemeinsam mit der Bundesregierung eine Entscheidung treffen, die wegweisend für den Technologiestandort Deutschland sein wird. Es geht dabei auch um die freiheitliche Ordnung und die nationale Sicherheit des Landes. Bisschen viel auf einmal, könnte man meinen. Dabei muss eigentlich nur über die Frage entscheiden werden, ob das chinesische Telekommunikationsunternehmen Huawei hierzulande am Aufbau des Mobilfunknetzes 5G beteiligt werden soll.
Die deutsche Industrie ist mehrheitlich dafür, denn Huawei ist bei 5G führend; mit den Chinesen würde alles viel schneller gehen und am Ende auch noch billiger werden. In der Politik dagegen wird gewarnt – von den Grünen über die FDP bis zu den Sozialdemokraten wächst der Protest. Einen regelrechten Aufstand gibt es in der CDU. So fordert eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten eine Debatte im Parlament und eine Sondersitzung der CDU/CSU-Fraktion.
Huawei soll nicht ausgeschlossen werden
Die Sache ist tatsächlich dringlich. Denn die Bundesregierung will Huawei bisher von der Auftragsvergabe nicht ausschließen. Dabei sitzt der Konzern im Zentrum des chinesischen Überwachungssystems. Die Volksrepublik China beobachtet ihre Bürger dank modernster Technik, etwa bei der Gesichtserkennung, auf Tritt und Schritt. Besonders die Angehörigen nationaler Minderheiten, etwa der Uiguren in der Provinz Xinjiang, werden systematisch ausgeforscht und ausgehorcht. In China ist Überwachung ein Mittel zur Unterdrückung.
Die chinesische Regierung bedient sich dafür an den IT- und Telekommunikationsfirmen des Landes, egal ob diese Firmen privat oder staatlich sind, ob sie wollen oder nicht. Mittendrin: Huawei. Mit seinem Konzept der smart cities verkauft es inzwischen Überwachungstechnik in alle Welt. Und ausgerechnet mit diesem Konzern will die Bundesregierung bei einer der wichtigsten Zukunftstechnologien zusammenarbeiten?
Die Vereinigten Staaten, Japan, Australien und Neuseeland haben sich dagegen entschieden. Zu groß erscheint ihnen die Gefahr von Spionage und Sabotage im Auftrag der chinesischen Regierung. Die USA drohen sogar damit, keine Geheimdienstinformationen mehr mit Ländern zu teilen, die bei 5G auf Huawei-Technologie setzen. Auch eine Risikoanalyse der EU-Kommission warnte – ohne den Konzern beim Namen zu nennen – vor der Gefahr von Cyberspionage und Hackerangriffen. Bei der Nato ist Huawei ebenfalls Thema.
Warum nicht auf Ericsson und Nokia setzen?
Die Bundesregierung versucht sich aus dem Dilemma herauszustehlen: kein grundsätzlicher Ausschluss von Huawei, aber auch keine Beteiligung an besonders sensiblen Bereichen der digitalen Infrastruktur ist die Ansage. Sie will die Verbündeten nicht gegen sich aufbringen, und es sich zugleich nicht mit den marktmächtigen Chinesen verderben. Die könnten sich ja wehren und deutschen Unternehmen in China das Leben schwer machen.
Dabei gäbe es eine Alternative zum Berliner Lavieren. Die Bundesregierung könnte helfen, Europas Wettbewerbsposition bei 5G zu stärken. Mit Ericsson in Schweden und Nokia in Finnland gibt es zwei europäische Anbieter der neuen Mobilfunktechnik. Die liegen zwar technologisch hinter Huawei zurück, mit ihnen würde 5G wohl später nach Deutschland kommen und auch teurer werden. Der Unterschied ist aber: Ihnen kann man vertrauen.
Gebraucht wird ein neuer Airbus-Moment
Auch in der Luftfahrtindustrie lag Europa einst weit zurück, marktbeherrschend waren die Amerikaner mit Boeing. Dann bündelten Deutschland und Frankreich ihre Kräfte. Airbus, der gemeinsame Flugzeugbauer, wurde zu einem großartigen Erfolg. Längst hat das Unternehmen auf den Weltmärkten mit Boeing gleichgezogen.
Einen solchen Airbus-Moment brauchen wir nun in der Telekommunikation. Lassen wir deshalb unsere 5G-Technik von Ericsson und Nokia bauen. Es wäre ein Armutszeugnis, Europa von einem Konzern abhängig zu machen, der zwar ein Privatunternehmen ist, aber dem Staat – so will es die Gesetzeslage in China – stets zu Diensten seien muss.
Wer jetzt nicht handelt, wird bald keine große Wahl mehr haben; einer Studie zufolge liefert Huawei bereits heute 28 Prozent der globalen Telekommunikationsausrüstung. Was also aus der Ferne wie eine unspektakuläre Entscheidung aussehen mag, ist eine Weichenstellung: Es geht um eine Technologie der Zukunft, um unsere Sicherheit und Freiheit.